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Lass den Teufel tanzen

Lass den Teufel tanzen

Titel: Lass den Teufel tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa De Sio
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stehenden Mund des Alten ein lautes Ächzen, als würde er im Geiste noch einmal all die Treppen und Hügel erklimmen, wie er es getan hat, als er noch jung war, und er spuckt mir etwas Klebriges in die Hand, das stinkt. Auch mein Vater gibt ein letztes Stöhnen von sich, dann hält er inne und lässt meine Schultern los. Endlich sind meine Hände frei, ich versuche, nach dem Schleier und dem Haarreif zu greifen, um die Flammen zu löschen … Und komme vom Albtraum in die Hölle. Ich sehe das Zimmer, die Schatten, die beiden Männer, wie erloschen,
immer noch keuchend. Den Schleier kann ich mit der Hand löschen, der Haarreif ist zerdrückt und klebt halb geschmolzen an meinen Fingern. Statt der Flammen ist da nur noch stinkender Rauch. Es riecht nach verbranntem Schaf. Auf den Gesichtern der beiden steht jetzt ein Ausdruck des Staunens, während ich da vor ihnen stehe, das Kleid aufgeknöpft, den Schleier verbrannt, die Haare verbrannt, die Brauen und Wimpern verbrannt, die Hände verbrannt. Doch ich spüre keinen Schmerz. Jetzt rüttelt der Wind wieder an der Glastür zum Garten. Ich drehe mich um. Schummrig beleuchtet von der einzigen Glühbirne, die vor der Gartentür hängt, sehe ich eine Frau, die erschrocken und starr jenseits der Glasscheibe steht. Sie ist stark geschminkt. Auf dem Kopf hat sie etwas, das wie eine blonde Perücke aussieht. Sie trägt ein weißes Spitzenhemdchen über der Brust, die viel zu groß ist und unecht wirkt, und um den Hals viele Ketten und bunte Perlen. Armreifen. Einen kurzen Rock, muskulöse Säbelbeine, mit Haaren bedeckt. Die Schuhe mit halbhohen Absätzen, genau richtig zum Laufen. Und tatsächlich setzt sie jetzt zum Laufen an, läuft mit schlenkernder Tasche in Richtung Garten, bleibt dann stehen, reißt sich die Perücke vom Kopf, wirft sie auf den Boden, dreht sich um und kehrt zurück. In genau diesem Moment kann ich erkennen, wer es ist.

Epilog

    Der Wolf und die Sphinx – eines Aprilmorgens in Rom
    IN DEM ALLGEMEINEN Tumult, der auf die ersten Schüsse folgte, wurden einige Tische und Stühle umgeworfen. Das Mädchen mit den Zöpfen und der Gitarre, das neben der Säulenreihe stand, schaffte es nicht einmal mehr, mit dem Singen seines amerikanisches Liedes aufzuhören, als einer der Bereitschaftspolizisten ihr einen Stoß versetzte und sie zu Fall brachte. Noch im Fallen löste sich der Gurt, mit dem die junge Hippiefrau ihre Gitarre am Hals befestigt hatte, und das Instrument landete mit einem lauten Krachen auf dem Kopfsteinpflaster. Das Geräusch, das beim Aufprall entstand, setzte sich aus folgenden Einzelgeräuschen zusammen: dem kurzen Knacken von zerspringendem Holz, einem hohlen, etwas lang gezogenen Ton aus dem Klangkörper der Gitarre und einem metallischen, silbrigen Surren, wie von schnalzenden Saiten.

    Es war einer dieser herrlichen römischen Morgen Ende April, an denen ein azurblauer und wolkenloser Himmel mit seiner ganzen Schönheit das Ende des Winters verkündet und am Horizont eine neue, spürbare Hoffnung steht. Die Leute sitzen an den Tischen der beiden Bars am Pantheon, auf den Gesichtern einen Ausdruck seliger Benommenheit und Dankbarkeit, als hätten sie gerade einen Flugzeugabsturz,
ein Schiffsunglück oder wenigstens ein Erdbeben überlebt. Jeder trinkt seinen Cappuccino, liest Zeitung, andere strecken ab und zu Arme und Beine aus, um die müden Muskeln zu dehnen und den Körper der Sonne entgegenzustrecken. Es herrscht die luftige Stille des Frühlingsanfangs, man lässt die Arbeit ruhiger angehen, der Wind, der sanft weht, sagt mit größerer Behutsamkeit, aus welch fernem Land er gerade kommt, und der Himmel scheint reglos, unbewohnt und macht weniger Angst. Ab und zu hört man die Seiten des Messaggero und der Unità rascheln, die der Wind jedes Mal zum Flattern bringt, wenn ein Leser zu lange auf einer Seite verweilt, und das leise Klappern und Klirren der Löffel in den Tassen. Zwei alte Engländer trinken Tee. Auf dem Platz halten sich in diesem Moment auch drei oder vier junge Männer mit schulterlanger Mähne, Künstler oder Rocker, auf, außerdem ein intellektuelles Paar mit Pfeife und Stapeln von Zeitungen, zwei japanische Touristenpaare, eine Gruppe junger Amerikaner mit komplett rasierten Köpfen, die aussehen wie Soldaten, die gerade aus dem Vietnamkrieg heimgekehrt sind, ein Mädchen mit einem Hund und ein junges Liebespaar.
    Das Liebespaar ist zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahre alt und sitzt an einem der Tische

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