Lass mich deine Liebe spueren_Zwei Maenner fuer die Herzogin
Anthony sein Brandyglas und meinte lächelnd: »Gib es zu, Jordan, du wolltest doch nur einen weiteren angenehmen Abend mit deiner reizenden Tänzerin herausschinden. Oh, entschuldige, Grandmama«, fügte er auf einen vernichtenden Blick der Herzoginwitwe hinzu. »Aber die Wahrheit ist doch, daß es weder diese Straßenräuber noch dieses zwölfjährige Mädchen gegeben hat, das dich angeblich gerettet hat. Stimmt’s?«
»Stimmt nicht«, entgegnete Jordan ungerührt.
Die Herzogin beobachtete das Geplänkel zwischen den beiden Cousins. Sie stehen sich nahe wie Brüder, sind aber so unterschiedlich wie Tag und Nacht, dachte sie: Jordan scheint mehr wie ich zu sein: reserviert, kühl, undurchsichtig, während Anthony offen, spontan und unverbesserlich unbeschwert ist. Anthony besaß Eltern, die ihn liebten, während Jordan elterliche Zuneigung nie kennengelernt hatte. Jordans Verhalten und Einstellung billigte sie aus ganzem Herzen, während sie Anthonys Spontaneität mißbilligte. Mißbilligung war die einzige Emotion, die sich die Herzoginwitwe zu zeigen gestattete.
»Alles hat sich exakt so abgespielt, wie von mir geschildert, auch wenn dieses Zugeständnis ein herber Schlag für meinen Stolz ist«, fuhr Jordan fort und stand auf, um sich ein neues Glas Port einzugießen. »Ihre Rüstung war verrostet, und ihr Haus wirkte wie aus einem schlechten Schauerroman — es fehlten weder die Spinnweben an den Deckenbalken noch die verblichenen Tapeten, die knarrenden Türen oder die feuchten Wände. Sie hat einen stocktauben Butler, einen blinden Diener und einen alten Trunkenbold von Onkel, der sich Sir Montague Marsh nennt...«
»Hochinteressante Familie«, murmelte Anthony. »Kein Wunder, daß sie so... äh, unkonventionell ist.«
»>Konventionen<«, zitierte Jordan trocken, »>sind die Zuflucht stagnierender Geister.<«
»Wer behauptet denn so etwas Unsinniges?« erkundigte sich die Herzogin, die ihr ganzes Leben der gewissenhaften Einhaltung althergebrachter Konventionen gewidmet hatte.
»Alexandra Lawrence.«
»Sehr unkonventionell«, gluckste Anthony und musterte das fast zärtliche Lächeln auf dem Gesicht seines Cousins. Jordan lächelte höchst selten - es sei denn, er setzte das Lächeln des Verführers oder Zynikers auf. »Wie sieht dieses ungewöhnliche weibliche Wesen denn aus?« fragte Anthony, um mehr über das Mädchen zu erfahren, das eine so überraschende Wirkung auf seinen Cousin auszuüben schien.
»Sie ist klein«, erwiderte Jordan und sah Alexandras lachendes Gesicht vor sich. »Und zu dünn. Aber sie hat ein Lächeln, das einen Stein erweichen könnte und ganz außerordentliche Augen. Sie haben die Farbe von Aquamarinen, und wenn du sie ansiehst, sind sie alles, was du an ihr bemerkst. Ihre Sprache ist genauso kultiviert wie deine oder meine, und trotz dieses schauerlich deprimierenden Hauses ist sie ein munteres kleines Ding.«
»Und offenbar auch mutig«, fügte Anthony hinzu.
Jordan nickte. »Ich werde ihr einen Scheck senden, aus Dankbarkeit dafür, daß sie mir das Leben gerettet hat. Das Geld wird sie weiß Gott brauchen können. Einigen Andeutungen von ihr habe ich entnehmen können, daß die Verantwortung für diesen ungewöhnlichen Haushalt auf ihren Schultern zu ruhen scheint. Zweifellos wird Alexandra das Geld in Verlegenheit bringen, deshalb habe ich es ihr auch nicht gleich angeboten, aber es wird ihre Situation erleichtern.«
Die Herzogin rümpfte mißbilligend die Nase, noch immer pikiert über Miss Lawrences Definition von Konventionen. »Die unteren Klassen sind stets erpicht auf Geld, Jordan. Ganz unabhängig vom Anlaß, aus dem es ihnen gegeben wird. Ich bin überrascht, daß sie nicht sofort versucht hat, irgendeine Art von Belohnung aus dir herauszuholen.«
»Du bist zu einer Zynikerin geworden, Grandmama«, tadelte Jordan liebevoll, »aber bei diesem Mädchen irrst du dich. Alexandra sind Habgier oder Raffinesse absolut unbekannt.«
Höchst erstaunt über diese Worte aus Jordans Mund, dessen niedrige Meinung von weiblichen Wesen berüchtigt war, meinte Tony: »Warum siehst du sie dir nicht in ein paar Jahren noch einmal an und machst sie zu deiner...«
»Anthony!« rief die Herzogin im Ton tiefster Mißbilligung. »Nicht in meiner Anwesenheit, wenn ich bitten darf!«
»Ich würde nicht einmal im Traum daran denken, sie aus ihrer Umgebung herauszureißen«, sagte Jordan ungerührt. »Alexandra ist ein seltenes Juwel, aber in London könnte sie keinen Tag
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