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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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droht. Aber eben auch, genau wie bei allen Märchen: Die Jungs da draußen wussten, wie es geendet hatte. Der Latino, die Legende, J-Boy, DER AUSREISSER  – war gezwungen, wieder reinzukriechen. Wie ’n Loser. Freiheit
adios
. Es war ’ne beschissene Story.
    Und ihn daran zu erinnern, versäumte Babak niemals.
     
    An der Bar hingen einige Motorrad-Typen rum: mit Lederwesten wie schwarzen Uniformen. Mit Einprozent-Emblemen, MC -Sweden-Badges und The Fat Mexican auf Brust und Rücken. Tätowierungen an Hals, Unterarmen, um die Augen herum. Jorge kannte ein paar von ihnen. Nicht gerade Cafébetreiber, aber Jungs, die in Ordnung waren. Obwohl er genau wusste, was die Neun-bis-fünf-Leute dachten, wenn sie die Typen erblickten. Als prangte es in leuchtenden Lettern auf ihren Westen – das Gefühl: Angst.
    Er entfernte sich von Babak.
    Weiter hinten seitlich der Bühne sah er seine Cousins und andere Verwandte. Kleine flaumbärtige Babak-Kopien auf einem Haufen. Für sie war es die reinste VIP -Party, auf demselben Fest wie die halbe Gang der Bandidos MC Stockholm zu sein.
    Ein Typ kam auf Jorge zu. Eine Silhouette wie die eines Affen. Überdimensional breite Schultern, Arme, die bis weit an die Oberschenkel hinunterreichten. Der Typ: anabolikagestählt, aber offensichtlich hatte er die Beine vergessen – sie stachen unten heraus wie zwei dünne Strohhalme.
    Es war Peppe. Ein Kumpel aus dem Knast in Österåker.
    Jorge hatte ihn seitdem nicht mehr gesehen.
    Peppe trug eine Weste. Auf der linken Brust: das Wort Prospect. Er war offenbar auf dem besten Weg, sich ’nen Namen zu machen.
    »Hallo, Bruderherz!« Sie umarmten einander. Jorge darauf bedacht, seine Weste nicht mit den Händen zu berühren. Mit den Regeln der Einprozentler war nicht zu scherzen.
    Peppe fragte: »Und, wie sieht’s aus? Bist du ordentlich am Fischen?«
    Der Typ war ganz sicher durch und durch Rassist, und dennoch – sein Ghetto-Schwedisch hatte etwas. Jorge lachte auf. Der Typ hatte seinen Humor nicht verloren.
    Jorge antwortete: »Kommt vor, Bruderherz, kommt vor.« Er sprach das Wort Bruderherz genauso aus wie Peppe. Dann sagte er: »Und du hast dir ’ne Weste zugelegt, wie ich sehe.«
    »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele ich damit rumkriege. Völlig krass.«
    »Behältst du die Weste dabei etwa an?«
    Peppes Gesichtszüge verhärteten sich.
    Jorge wollte einlenken, doch ihm fiel nichts ein. Er hielt inne. Beobachtete Peppe. Der Typ zog ’ne Grimasse.
    Schließlich: »Mach keine Witze darüber, okay?«
    Jorge schiss drauf. Manche Typen nahmen ihre Farben einfach zu ernst.
    Doch nach zehn Sekunden grinste Peppe wieder. »Also Leder im Bett ist wirklich nicht mein Ding. Aber hast du’s mal mit Handschellen versucht? Ist richtig geil.«
    Sie feixten gemeinsam.
    Der Bandidoskumpel wechselte das Thema, quatschte weiter. Von smarten Konzepten in der Baubranche. Steuerbetrug, gefakten Rechnungen, schwarzen Löhnen. Jorge nickte zustimmend. Es war interessant. Es war wichtig. Er überlegte sogar, ob er Peppe im Hinblick auf die Jugos um Hilfe bitten sollte. Doch er kannte die Regel: Alle kümmern sich um ihre eigene Scheiße.
    Er konnte nicht aufhören, an morgen zu denken.
    Morgen.
    Jorge leerte sein Schampusglas.
     
    Am Tag danach. Das Gefühl von dicken Ringen unter den Augen. Katerstimmung in der Birne. ’nen Atem, der nach ’nem in Spiritus getränkten Stück Scheiße stank. Dennoch: ein gewisses Gefühl der Erleichterung. Gemeinsam mit seinem besten Freund Mahmud. Auf dem Weg nach Södertälje. Auf dem Weg zum vielleicht wichtigsten Treffen in J-Boys Leben.
    Es war halb drei. Er und der Araber in ihrem eigenen Wagen. Oder eigentlich: Der Wagen gehörte dem Café. Einer der wenigen Vorteile: Man konnte so viel wie möglich übers Café anschaffen. Handys, Computer, DVD s, 3D-WiFi-Full- LED -Fernseher. Also eigentlich alles – dachten sie jedenfalls. Doch wie sich herausgestellt hatte, dachte das Finanzamt nicht so.
    Wohin sie wollten: zu etwas Großem. Zum großen Coup in der Toppschicht der Gangsterwelt. Im Ghetto wimmelte es nur so von Erfolgsmärchen: der Hallundacoup, die Aktion in Arlanda, der Helikopterraub. Und alle wussten, dass es keineswegs viele waren, die Einblicke in die Pläne hatten, und dass nur einige wenige auf den Rezepten saßen. Aber Jorge hatte einen Zugang aufgetan.
    Und genauso einen würden sie heute treffen. Einen, der wusste, wie es funktionierte. Ein Superhirn.
    Es hatte angefangen zu regnen;

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