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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Aufträgen vertraut. Wenn wir also ein Ding drehen, dann drehen wir es im großen Stil.«
    Jorge konnte nicht aufhören, innerlich zu lächeln. Das hier war ganz groß. Das hier war der Anfang vom Ende als Cafésklave. Der Anfang vom Ende als erpresster armer Teufel. El grand Muffinstod.
    In seinem Kopf sah er Bilder. Sturmhauben. Dunkle Geldkoffer. Bündel mit Fünfhundertern.
    Er sah schnelles Geld.

2
    Kriminalinspektor Martin Hägerström fuhr die Sturegata hinunter zum Stureplan. Die Anzugträger draußen waren auf dem Weg zu ihren Banken und Kanzleien. Sie waren ordentlich gekleidet, akkurat gekämmt, angemessen gestresst. Manche leicht vornübergebeugt, als jagten sie im Leben einer Sache hinterher und müssten sich strecken, um sie zu erreichen. Zugleich wusste Hägerström, dass er verallgemeinerte – er kannte allzu viele Anzugträger privat, um noch daran zu glauben, dass sich ihr Leben einzig darum drehte, dem Geld hinterherzujagen. Sein drei Jahre jüngerer Bruder Carl arbeitete hundert Meter entfernt von hier. Sein zukünftiger Schwager arbeitete hier. Viele seiner alten Freunde hielten sich in den umliegenden Vierteln auf.
    Aber der Morgen war nicht gerade die Zeit für tiefgehende Reflexionen, also nahm Hägerström sich das Recht, das Dasein zu vereinfachen.
    Im Augenblick fiel es ihm nicht gerade schwer, seine Gedanken in negative Bahnen zu leiten. Und es war ebenfalls nicht schwer vorauszusehen, in welche beiden Richtungen seine negativen Gedanken führen würden.
    Es waren gerade mal vier Monate seit der Beerdigung seines Vaters Göran vergangen und sieben Monate, seit er krank geworden war.
    Und es waren ein Jahr, drei Monate und vierzehn Tage vergangen, seit Pravat ihm weggenommen worden war. Er rechnete jede Stunde wie eine Atomuhr. Die Bilder in seinem Kopf waren so deutlich, als wäre es heute Morgen geschehen. Wie Anna die Tür hinter sich zuschlug und mit Pravat an der Hand wegging. Wie Hägerström rasend vor Wut dastand, aber nicht wollte, dass Pravat sah, wie er die Fassung verlor. Wie sie die Ruhe selbst war.
    Im Nachhinein kam es ihm fast gruselig vor, wie überlegt sie agiert hatte. Er hatte zwei Stunden in der Wohnung gewartet, bis er sich beruhigte. Dann hatte er angefangen anzurufen. Aber sie ging nicht dran, und sie kam auch nicht zurück. Er hatte beim Kindergarten und bei ihrer Schwester angerufen. Er hatte es bei ihrer Freundin in Saltsjöbaden versucht. Aber er bekam nicht heraus, wohin sie gefahren war. Wohin sie Pravat gebracht hatte. Doch dann, fast eine Woche später, schaffte er es, an Informationen zu gelangen. Pravat befand sich in einer Wohnung auf Lidingö. Pravat sollte seine Zwischenmahlzeiten auf Lidingö einnehmen, in seinem kleinen Bett auf Lidingö schlafen, und er hatte offensichtlich auch einen Kindergartenplatz auf dieser verdammten Insel bekommen.
    Ein Jahr, drei Monate, vierzehn Tage.
    Manche sagten, er sei selber schuld. Am Anfang hatte er gebeten und gebettelt. »Komm zurück, komm nach Hause, bitte.« Doch sie ignorierte ihn. Legte auf, wenn er anrief, antwortete nicht auf seine SMS , Mails oder Mitteilungen auf Facebook. Erst nach einer weiteren Woche bequemte sie sich zu antworten. Aber da hatte sie Pravat bereits im neuen Kindergarten untergebracht.
    Dann begann der Papierkrieg. Rechtsanwälte, Schlichtungsverfahren, Gerichtsverhandlungen. Sinnlose Anstrengungen, um sie dazu zu bringen, ihn zu verstehen. Man kann ein Kind nicht einfach ohne
Grund
von seinem Vater trennen. Ein Kind braucht beide Eltern. Ihr war es egal – es
gebe
durchaus Gründe, schrieb ihr Anwalt. Es gebe gewisse Leute, die sich einfach nicht als Eltern eigneten. Leute, die niemals ein Kind hätten adoptieren dürfen. Hägerström habe nach Aussage des Rechtsanwalts extrem verantwortungslos gehandelt, als er mit Pravat auf dem Rücksitz an einem Polizeieinsatz teilnahm. Hägerström wusste, dass es idiotisch war, aber er war dennoch ein guter Vater. Und sein Sohn müsste ihn in Zukunft schon öfter sehen dürfen als nur einige wenige Tage im Monat.
     
    Er fuhr die Straße zum Polizeigebäude auf Kungsholmen hinauf. Vor dem Haupteingang parkten massenweise Motorräder. Männer mit Krads waren unter den Stockholmer Polizisten eindeutig überrepräsentiert.
    Kronoberg: das Hauptquartier der Stockholmer Polizei. Ein großes Gebäude – mit mehr Korridoren, Vernehmungsräumen und Pausenräumen, als er sonst irgendwo je gesehen hatte. Er nickte dem Sicherheitsbeamten am

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