Lass uns unvernünftig sein
nicht notwendig. Bis kurz nach Shellys Tod hatte ich keine Ahnung, dass es die Kleine überhaupt gibt.«
»Anabel ist zu Ihnen gekommen, nicht wahr?«
»Ja. Und das war eine kluge Entscheidung von ihr. Sie liebt Nicki so, wie jede Mutter auf der Welt ihr Kind liebt. Sie wollte nur das Beste für die Kleine.« Er sah die beiden an. »Und hier bekommt Nicole das Beste. Hier kümmert man sich rührend um sie.«
»Wir sind ihre Großeltern.«
»Ja, das weiß ich. Ob und wie Sie an ihrem Leben teilhaben wollen, bleibt ganz Ihnen überlassen. Aber Sie sollten unter keinen Umständen versuchen, sie mir wegzunehmen.«
Mr. Tyree erhob sich. »Sie kennen sie doch überhaupt nicht.«
»Wie schon gesagt, Shelly hat mir nie von ihr erzählt. Aber ich bin ihr Vater, und das ist eine Tatsache, die Sie nicht leugnen können.«
»Sie haben vor, sie hierzubehalten?«
»Ich weiß, dass es ein weiter Weg von Atlanta hierher ist, aber mit ein bisschen Organisation könnte man die Besuche …«
»Nein.« Mrs. Tyree stand ebenfalls auf und stellte sich an die Seite ihres Mannes. »Wir haben in unserer Gemeinde einen guten Ruf, Mr. Watson. Unsere Tochter zu verlieren, war schwierig genug. Ich will mich nicht auch noch mit einem Skandal wegen eines unehelichen Enkelkindes belasten.«
In diesem Moment schwand schlagartig jegliche Sympathie für diese beiden Menschen. »Wenn Sie keine Beziehung zu Nicole wollen, warum wollten Sie Anabel die Kleine dann wegnehmen?« Doch plötzlich wusste er die Antwort auf diese Frage, und ihm lief ein Schauer über den Rücken. »Sie wollten sie zur Adoption freigeben?«
Mrs. Tyree hob ihre gealterte Hand, an der einige Diamantringe funkelten. »Anabel Truman ist nur hinter dem Geld her. Sie hätte uns um Geld gebeten, uns möglicherweise sogar erpresst.«
Was für eine dumme Frau. »Anabel war die Mitbewohnerin Ihrer Tochter, aber Sie haben sie überhaupt nicht richtig kennengelernt, oder?«
»Ich kenne solche Leute, Mr. Watson. Und ich weiß, dass man Geld braucht, um ein Kind zu versorgen. Anabel ist ein Mensch ohne Ehrgeiz, ohne Perspektiven.«
»Damit liegen Sie vollkommen falsch. Sie hat mehr Herz, mehr Mut und Entschlossenheit, als jeder andere Mensch, den ich kenne.«
»Sie hat Sie schon restlos eingewickelt, nicht wahr?«
Gil schüttelte den Kopf über solch blinde Ignoranz, ging zur Tür und öffnete sie. Er würde nicht seinen Atem verschwenden, um sich mit diesen Leuten auseinanderzusetzen. »Ich habe Geld, also seien Sie sicher, dass ich Sie nicht um irgendetwas bitten werde.«
Mr. Tyree zögerte. »Wir hatten keinen Grund anzunehmen, dass Sie die Verantwortung für …«
»Dass ich die Verantwortung für meine eigene Tochter übernehmen würde?« Gils Worte klangen matt – er war beinahe sprachlos angesichts dieses Zynismus. »Auf Wiedersehen, Mr. und Mrs. Tyree.«
Das Paar tauschte einen erleichtert wirkenden Blick, und im nächsten Moment waren die beiden verschwunden. Gil stand mit dem Rücken zur Tür, unfähig zu begreifen, dass irgendjemand nicht Anteil an Nicoles Leben haben wollte. Sie war ein kleines, unglaubliches, erstaunliches Wunder.
Plötzlich legte Anabel ihm die Hand auf die Schulter. »Ich habe gehört, wie sie gegangen sind.«
Gil schüttelte seine Empörung ab und wandte sich mit einem Lächeln zu ihr um. »Ja, ein Glück. Ich bezweifle, dass wir je wieder etwas von den beiden hören werden.«
Anabel sah ihn mit großen Augen an. »Sie … sie werden das Sorgerecht doch nicht erstreiten?«
»Sie hätten sie nur genommen, um sie zur Adoption freizugeben.« Er schlang seine Arme um ihre Taille und zog Anabel an sich, um sie festzuhalten. »Aber ich bin ihr Vater – das ist gut so und steht fest und kann von niemandem angezweifelt werden. Du musst dir keine Sorgen mehr machen, Anabel.« Er wartete darauf, dass sie fragte, welche Rolle sie in Zukunft spielen würde, aber sie schwieg.
Vielleicht hatte sie Angst davor.
Gil seufzte. Er würde ihr eine, höchstens zwei Wochen geben, um die Antwort auf diese Frage herauszufinden. Und diese Zeit würde er sinnvoll nutzen. »Ich nehme nicht an, dass Nicki wieder eingeschlafen ist?«
»Nein. Sie ist damit beschäftigt, ihre Puppen umzutaufen – nach den Figuren in dem Disney-Film, den wir gesehen haben.«
»Wenn ich dich schon nicht zu einem Quickie verführen kann, wie wäre es dann mit ein bisschen Knutschen?« Gil bemerkte, dass sie zart errötete und spürte, dass ihr Puls sich beschleunigte.
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