PR TB 017 Der Flug Der Millionäre
1.
Der Ozean-Pool mußte Millionen gekostet haben.
Ihn als Swimmingpool bezeichnen zu wollen, wäre fast eine
Blasphemie gewesen. Dazu war er nicht nur zu groß, sondern auch
zu einzigartig. Weit in die flach auslaufende Brandung hinein schoben
sich die gläsernen Mauern ins Meer hinaus, tief im sandigen
Boden verankert und einzementiert. Die Frontseite bestand ebenfalls
aus Glas, aber nur gerade so hoch, daß die Wellen darüber
hinweggleiten konnten. Darüber spannte sich das flimmernde Dach
eines Energieschirms, der Regen abhielt und Sonne und Licht
durchließ. Die Landseite war weißer Dünensand, der
allmählich in festen Boden überging und Kokospalmen trug.
Das Gelände stieg sanft an und endete in einer gepflegten
Parklandschaft. Halb versteckt hinter weiteren Palmen und tropischen
Gewächsen stand ein riesiges Gebäude aus weißem
Marmor. Breite Stufen führten zu der geräumigen Terrasse,
auf der ein weißgedeckter Tisch mit einem Gedeck stand.
Neben der Tür zum Haus wartete bewegungslos der
schwarzgekleidete Diener.
Vom Strand herauf kam eine Frau.
Sie trug einen knappsitzenden Badeanzug, der ihre schlanke Figur
betonte. Ihr langes Haar war hellblond und hing bis zur Schulter
herab. Der jugendliche Gang verriet Energie und Lebenswillen, aber er
täuschte über das wirkliche Alter von Mabel Rushton hinweg.
Wenn man sie von hinten sah, hielt man sie für zwanzig,
höchstens dreißig. Aber wer ihr gegenübertrat erlebte
einen Schock, denn Mrs. Mabel Rushton war gerade fünfundsechzig
geworden.
Elastisch nahm sie die Stufen zur Terrasse, warf die nasse
Badekappe in eine Ecke und setzte sich. Ein Blick zu dem schweigsamen
Diener genügte. Er klatschte in die Hände, und das Personal
erschien mit dem Frühstück. Es hätte für fünf
Personen gereicht, aber Mabel aß nicht einmal den zehnten Teil
davon. Sie mußte auf ihre Figur achten, die ihr die Illusion
ewiger Jugend vermittelte.
Und Mabel Rushton liebte die Jugend, ihre Jugend.
Mit zwanzig Jahren hatte sie den um vierzig Jahre älteren
Ölkönig Benjamin Rushton geheiratet, der bald darauf
gestorben war. Er hatte ihr eine Tochter, Barbara, jetzt
fünfunddreißig alt und ausnehmend hübsch,
hinterlassen; aber nicht nur das. Sein Vermögen, das größte
des nordamerikanischen Kontinents, ging in den Besitz seiner Frau
über. Und Mabel hatte es nicht nur verstanden, diesen Reichtum
zu erhalten, sie hatte ihn noch vermehrt.
In eingeweihten Kreisen munkelte man, Mabel Rushton habe einen
sechsten Sinn für Börsenspekulationen. Was sie in dieser
Hinsicht auch anpackte, es gelang. Wenn sie Aktienpakete kaufen ließ,
konnte man sicher sein, daß der Kurs innerhalb einer Woche in
die Höhe schnellte. Es gab genug Speku lanten, die ihr Geld
allein damit verdienten, daß sie Mabel Rushtons Börsengeschäfte
beobachteten und die gleichen Käufe oder Verkäufe wie sie
tätigten.
Mabel war einsam geblieben. Ihr Geld stand wie eine unsichtbare
Mauer zwischen ihr und den Menschen, besonders den Männern. Wenn
es überhaupt einen Menschen gab, den sie wirklich liebte, dann
ihre Tochter Barbara. Mit ihren fünfunddreißig Jahren war
Barbara zwar erwachsen, aber sie konnte sich nicht entschließen,
die Zuneigung eines ihrer vie len Verehrer ernsthaft zu erwidern.
Auch hier wurde das Geld zu einer Mauer des Mißtrauens, die nur
noch mehr Geld hätte überwinden können. Hinzu kam, daß
sie es nie übers Herz gebracht hätte, ihre Mutter zu
verlassen, denn sie liebte sie abgöttisch.
Mabel sah in Richtung des Dieners.
»Der Sekt könnte etwas kühler sein«, sagte
sie leichthin. »Ich würde mich an Ihrer Stelle mehr darum
kümmern.«
»Sehr wohl, Mrs. Rushton.«
Mabel trank. Sie sah hinauf in den wolkenlosen Himmel. Irgendwo
war Motorengeräusch. Es wurde lauter, und dann erschien über
den Wipfeln der Bäume ein Helikopter, umkreiste einmal das
Parkgelände und ging dann tiefer. Sanft
setzte er schließlich mitten auf dem Rasen auf. Der Pilot
öffnete die Kabinentür, und heraus sprang das Ebenbild
von Mabel Rushton, nur viel jünger und ein wenig schlanker.
Barbara Rushton eilte in übermütigen Sprüngen die
Freitreppe empor und umarmte stürmisch ihre Mutter, die
aufgestanden war.
»Aber Babs! Du liebst Überraschungen. Ich vermutete
dich in Paris.«
»Zum Frühstück war ich auch noch dort - und jetzt
möchte ich mit dir ein zweites Mal frühstücken.«
Der Diener an der Tür verschwand, um ein zweites Gedeck zu
holen. »Paris ist so langweilig ohne
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