Lass uns unvernünftig sein
war gerührt. Schon wieder. »Vielleicht«, flüsterte er, »mag sie sie deshalb so gern.«
Anabel verlor sich in der Erinnerung. »Vor ein paar Monaten war das kleine Monster der Meinung, dass die Puppe ein bisschen Make-up vertragen könnte. Mit ihren Buntstiften hat sie ganze Arbeit geleistet. Dann entschied sie, dass ihr der Look doch nicht gefiel, und hat darauf bestanden, dass ich das arme Ding wasche. Der größte Teil der Wollhaare ist ausgefallen – aber Nicki nimmt die Puppe noch immer überall mit hin.«
Ohne auf ihre Einwilligung zu warten, legte Gil Anabel einen Finger unters Kinn und hob ihren Kopf an. Bewusst küsste er sie ganz zärtlich, statt leidenschaftlich. Obwohl ihm das alles andere als leichtfiel.
»Magst du meine Brüder?«
Sie ließ ihren Kopf gegen seine Brust sinken. »Viel wichtiger ist doch, ob sie mich mögen oder nicht.«
»Sie mögen dich – obwohl das nicht von Bedeutung ist. Ich brauche nicht ihr Einverständnis, um meine Entscheidungen zu treffen.« Er fasste sie an den Schultern und ging leicht in die Knie, um ihr ins Gesicht zu sehen. »Und was sollte man im Übrigen an dir nicht mögen?«
Verächtlich schnaubte sie. »Das Bauchnabelpiercing? Das Tattoo?«
Gil lächelte. »Was für Bilder sind denn noch von dir im Internet? Nichts allzu Schlüpfriges, hoffe ich?« Er strich mit seinem Daumen über ihre Unterlippe und senkte die Stimme. »Doch wohl keine Aufnahmen von diesem hübschen Mund, oder?«
Sie boxte ihm in den Magen, aber er hielt sie so eng an sich gedrückt, dass der Schlag ohne Wirkung blieb. »Nickis altes Zimmer ist von einer Künstlerin gestaltet worden, für die ich gearbeitet habe. Ich habe das Zimmer als Hintergrund für ihre Website benutzt. An den Wänden waren Vögel und Bäume. Es sah wunderschön aus. Und ich hatte unterschiedliche Frisuren, um für den Beauty-Salon einer Freundin zu werben.« Sie fuhr sich mit der Hand durch die kurzen Locken. »Ich erinnere mich, dass du mal bei uns warst, als meine Haare gerade rot gefärbt waren.«
»Ja. Das hat mir gefallen.«
»Echt?«
Er grinste nur. Jetzt würde er ihr noch nicht sagen, dass er alles an ihr liebte – sogar ihr Bauchnabelpiercing. Er musste, er wollte es ihr erst zeigen. »Warum sehen wir uns nicht einen Film an? Würde Nicki das gefallen?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe sie noch nie mit ins Kino genommen.«
Weil sie es sich nicht leisten konnte? Gil entschied, dass sie den Tag draußen verbringen würden. Er wollte Nicki all das geben, was sie bisher nicht hatte, wollte beobachten, wie sie mit ihm neue Dinge erlebte. Aber er wollte unbedingt auch Anabel ein bisschen Luxus gönnen. Sie hatte so viel gegeben, dass es für sie an der Zeit war, etwas zurückzubekommen.
Ein paar Stunden später, in der Frühvorstellung im Kino, begann Gil, ernsthaft an seinem Verstand zu zweifeln. Die unzähligen Kinder plapperten unaufhörlich durcheinander. »Ich war noch nie in einer Nachmittagsvorstellung«, rief er Anabel über den Lärm schreiender Babys, lauter Kleinkinder und beruhigend auf die Kleinen einredender Mütter hinweg zu. »Ich bin mir nicht so sicher, ob es mir gefällt.«
Lachend lehnte sie sich an seine Schulter. »Du bist doch nur enttäuscht, weil du nicht mit mir rummachen kannst.«
»Stimmt. Aber wir haben ja noch heute Abend«, flüsterte er ihr ins Ohr. Er fühlte, wie Anabel erschauerte, bevor sie sich von ihm lösen konnte.
Sie aßen bei McDonald’s zu Mittag, aber Nicki wurde allmählich quengelig. Ihr Jammern war anstrengend – und Anabel machte es mit ihrem entsetzten Blick nicht gerade leichter, mit anzusehen, dass sein kleiner Engel sich gar nicht so engelhaft benahm.
»Sie ist müde«, erklärte Anabel.
»Und laut«, stimmte Gil zu. »Aber sie ist noch ein Baby, und ich nehme an, dass sie alle manchmal so reagieren?«
Anabel beeilte sich, Nicki noch mehr von den Pommes frites zu geben. »Wirklich nur manchmal.«
Gil schüttelte den Kopf. »Du brauchst die Realität nicht zu beschönigen. Ich kann es ertragen. Übrigens ist es egal, wie sehr sie quengelt – ich kann trotzdem sehen, dass du eine exzellente Mutter bist.«
Ein vorsichtiger Hoffnungsschimmer blitzte in ihren dunklen Augen auf. »Denkst du das wirklich?«
Gil nahm Nicki aus ihrem Hochstuhl. »Natürlich. Und ich denke, ich werde auch einen ganz passablen Vater abgeben, wenn ich erst den Dreh raushabe.«
»Du bist schon ein wunderbarer Vater – und das weißt du auch.«
Sie klang
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