Lasst uns ueber Liebe reden
S, die am freitag mit bronchitis früher aus der schule kam.
selbst schuld! wer läuft im februar auch in leichten sommerkleidchen rum? B in einem
secondhandladen in der mulberry street beim kauf ihres reha-outfits. klar, wenn sie
die rolle der fertigen fixerin kriegen will, muss sie authentisch aussehen. D in der
u-bahn, wo er für seinen auftritt im rivington rover poetry club übte und zum
rattern des zuges fieberhaft vor sich hin flüsterte.
wir sollten ausnahmsweise mal einen auf kultur machen,
leute. ich seh euch dann heute abend bei der dichter- lesung.
ihr wisst genau, dass ihr
mich liebt
gossip.girl
alles
für die kunst
»Ich bin
echt froh, dass du da bist«, sagte Dan zu Mystery, die ihm mit ihren
gelbnageligen Fingern durchs stylish zerzauste Haar strich. Rein zufällig waren
er und Mystery gleichzeitig im Rivington Rover Poetry Club eingelaufen. Seit
einer Viertelstunde drückten sie sich in einer Kabine der graffitiver-
kritzelten Damentoilette herum, rauchten Cameis ohne Filter, fummelten
aneinander herum und versuchten, sich für ihre Lesung in Stimmung zu bringen.
»Ich bin irgendwie nervös.«
»Musst du
nicht.« Mystery lockerte den Knoten seines schmalen schwarzen Schlipses und
nahm seine Hand. »Also los. Mal gucken, was geht.«
Sie kamen
Händchen haltend aus dem Damenklo. Mystery in einem hauchzarten hellgelben
Schlauchkleid aus Seide, unter dem sich überdeutlich ihre schwarze Baumwollunterwäsche
abzeichnete, und Dan in seinem neuen schwarzen Anzug - die Bonny & Clyde
der Dichterwelt.
In dem
engen, dunklen Kellerlokal drängte sich schon das Lesungspublikum, schlürfte
Kaffee und lümmelte auf den abgewetzten alten Sofas, die kreuz und quer
herumstanden.
An der
schwarz gestrichenen Decke rotierte einsam eine Diskokugel und über die Anlage
schluchzte Morrissey einen deprimierenden Song von seinem neuesten Album.
Das Licht
ging zweimal kurz an und aus und eine zerbrechliche Japanerin in schwarzem
Gymnastikanzug und pinken Ballettstrumpfhosen erklomm die Bühne. »Willkommen
bei unserer Open-Mike-Nacht im Rivington Rover Club. Schön, dass ihr da seid«,
wisperte sie ins Mikrofon. »Heute Abend lesen zwei der interessantesten Dichter
New Yorks gleichzeitig für uns. Ich freue mich, das Mikro an Mysteiy Craze und
Daniel Humphrey übergeben zu dürfen!«
Aus dem
Dunkel des Raums brandete begeisterter Applaus auf.
»Ich hab
gehört, sie haben in einer einzigen Nacht auf E einen ganzen Roman
geschrieben«, flüsterte jemand.
»Ich hab
gehört, sie sind verheiratet.«
»Und ich
hab gehört, dass sie eigentlich zweieiige Zwillinge sind, die nach der Geburt
voneinander getrennt wurden«, wusste jemand anders.
Vanessa
schlängelte sich unbemerkt durch die Menge und postierte sich ganz hinten an
der Wand. Während sie die Kamera vors Auge hielt und auf die Bühne zoomte,
fragte sie sich, was Mystery Craze überhaupt für ein Name war.
Dans
Körper war mit kaltem Angstschweiß bedeckt. Alles war so schnell gegangen. Er
hatte überhaupt noch nicht darüber nachdenken können, wie es gekommen war,
dass er im einen Augenblick noch verquere, verdrießliche Gedichte, die niemand
las, in Notizbücher schrieb und im nächsten plötzlich im Designeranzug mit
einem beinah-berühmten Mädchen in einem coolen Club auf der Bühne stand. Aber
für Selbstzweifel blieb keine Zeit. Er war in Schultheaterstücken aufgetreten,
hatte in Vanessas Filmen mitgespielt. Er war der neue Rilke. Er schälte sich
aus seinem Jackett und krempelte die Hemdsärmel hoch. Hey, er schaffte das.
Mystery
erwartete ihn schon auf der Bühne, die dürren Finger in weißknöcheliger
Erwartung ums Mikro gekrallt. Jetzt sah Dan, dass es zwei Mikrofone gab, eines
für sie und eines für ihn.
»Sagt mir
euer Lieblingssubstantiv«, forderte Mystery das Publikum mit ihrer leisen,
kehligen Stimme auf.
»Torte!«,
rief ein offensichtliches Arschloch mit Pferdeschwanz aus der ersten Reihe.
»Du bist
die Antithese zur Torte«, hauchte Mystery Dan zu, als er auf die Bühne kam.
»Ich will dich bei lebendigem Leib auffressen.«
Dan
räusperte sich und griff nach dem Mikrofonständer, um sich an irgendetwas
festzuhalten. »Und welches ist dein Lieblingsverb?«, fragte er und war selbst
überrascht, wie selbstbewusst er klang.
»sex«, sagte
Mystery cool. Sie ließ sich auf Hände und Knie nieder und kroch, das Mikro
zwischen den Zähnen, auf ihn zu. »sex«, wiederholte sie, drängte sich zwischen seine Beine und hangelte sich
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