Lauf, so schnell du kannst
nahe gekommen war, dass die Krempe seines Hutes gegen ihre stieß. wütend funkelte er auf sie herab; so nah war er, dass sie die weißen Streifen in seinen dunkelblauen Augen sehen konnte, als sie aufschaute. Angie holte schnell und automatisch Luft, dann wünschte sie, sie hätte es nicht getan, weil die Luft selbst von ihm erfüllt zu sein schien, von dem Duft von Leder und Kaffee und Jeans, erhitzt von seiner Haut. Ein primitives Gespür für Gefahr sorgte dafür, dass sich ihr die Haare im Nacken sträubten und ihr ein Schauer über den Rücken lief. Ihr Instinkt schrie ihr zu, zurückzuweichen, außer Reichweite zu gehen, ihr Gefühl für ein unberührtes
Selbst
wiederzugewinnen, das seine Nähe irgendwie bedrohte. Aber jetzt zurückzuweichen wäre ausgerechnet heute ein Rückzug zu viel gewesen, da ihr Stolz seinetwegen bereits zu sehr gelitten hatte.
Sie biss die Zähne zusammen, drückte den Rücken durch und blieb, wo sie war. »Was willst du?«, fragte sie schroff, und bei Gott, wenn schon kein anderer Teil von ihr fest war, ihre Stimme war es.
»Ich will wissen, was zum Teufel mit dir los ist«, knurrte er, und seine Stimme klang dabei so rau, dass sie darum kämpfen musste, nicht zusammenzuzucken, als hätte sie sie gekratzt. Er sprach noch kehliger, als sie es in Erinnerung hatte. Bevor sie sich beherrschen konnte, schaute sie auf seinen Hals, auf die bleiche Narbe, die in einer leichten Diagonale quer über die muskulöse Säule verlief. Verschlechterte sich seine Stimme, oder klang er nur deshalb so, als hätte er gemahlenes Glas gegessen, weil er wegen irgendwas sauer war? Sie hoffte, dass er sauer war, hoffte, dass sie unabsichtlich irgendetwas getan hatte, um ihn so wütend zu machen, dass er kaum sprechen konnte. Denn wenn sie herausfinden konnte, was sie getan hatte, würde sie alles daransetzen, es wieder zu tun.
»Mit mir ist überhaupt nichts los«, antwortete sie und biss die Zähne so fest zusammen, dass ihr der Kiefer schmerzte. Jetzt, da sie die Narbe an seiner Kehle gesehen hatte, ertappte sie sich dabei, dass sie die anderen Narben in seinem Gesicht anstarrte: Die Furche oben auf seinem rechten Wangenknochen, eine weitere neben seinem Mund; die sah wie ein Grübchen aus, wenn man nicht wusste, dass die Narben von Granatsplittern stammten. Und dann war da noch eine pfeilförmige Narbe auf seinem Nasenrücken. Keine der Narben war entstellend; sie schienen ihn nicht zu stören, und sie sollten auch sie nicht stören, nur, dass sie bei ihrem Anblick einen Schmerz in der Brust verspürte, der sich unerklärlicherweise wie Kummer anfühlte.
Diesen Gedanken schob sie beiseite; sie konnte es sich nicht leisten, Mitleid mit ihm zu haben. Schön, er war also im Irak von Granatsplittern getroffen worden; er lebte aber, er war nicht entstellt oder behindert, und sie konnte rein theoretisch Mitgefühl für ihn als Angehörigen der Streitkräfte empfinden, ohne dass er bei ihr irgendwelche anderen Gefühle auslöste.
Sie wünschte, dass er Mundgeruch gehabt hätte, statt angenehm nach Kaffee zu riechen … wünschte, dass es etwas, irgendetwas, an ihm gegeben hätte, das körperlich abstoßend gewesen wäre. Was war sie nur für ein Idiot, dass sie in schwachen Momenten wehmütig daran dachte, was hätte geschehen können, wenn sie tatsächlich mit ihm ausgegangen wäre, als er in die Gegend zurückgekehrt war und sie eingeladen hatte. Was, wenn sich etwas daraus entwickelt hätte? Dann kamen die Zweifel, und sie fragte sich, ob er sich vielleicht absichtlich darangemacht hatte, ihr Geschäft zu zerstören, weil sie ihn abgewiesen hatte; wenn ja, machte ihn das zu einem Riesenwichser, und es hätte gar nichts genützt, mit ihm zu gehen. Sie fuhr jedoch Gefühlsachterbahn, weil sie einfach nicht wusste, was es bedeutete, dass sie sich ständig über die verschiedenen Szenarien Gedanken machte, ohne wissen zu können, welches davon nun zutraf. Alles, was sie mit Bestimmtheit wusste, war, dass sie nicht gut mit Männern umgehen konnte und dass Dare Callahan ihr Geschäft ruiniert hatte. Von diesen beiden Punkten war sie felsenfest überzeugt.
Durch seine Nähe und den Truck im Rücken kam sie sich eingepfercht, gefangen vor. Verdammt, genug war genug; sie konnte es keine Sekunde länger ertragen. Also rutschte sie zur Seite, ein Stückchen von dem Truck weg, obwohl ihr verdammter, halsstarriger Stolz es ihr nicht erlauben würde, vor Dare zurückzuweichen.
Auch er veränderte seine Position und
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