Laura Leander 06 - Laura und das Labyrinth des Lichts
konnte damals doch noch nicht gewusst haben, dass er Laura gut eineinhalb Jahre später tatsächlich zu einem Konzert einladen würde, oder? Aber vielleicht hatte er sich schon so etwas ausgemalt. Laura hatte ihm nämlich auf den ersten Blick gefallen, er hatte nur nicht den Mut aufgebracht, ihr das zu sagen.
Jedenfalls damals nicht!
Philipp wollte das Tagebuch schon zuschlagen, als er das lange Haar zwischen den Seiten entdeckte. Er konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, es hineingelegt zu haben. Es war pechschwarz und ungewöhnlich dick, viel dicker als ein Menschenhaar. Es musste von einem Tier stammen.
Aber wieso sollte er ein Tierhaar in seinem Tagebuch aufbewahren?
Das ergab doch keinen Sinn!
Philipp hatte die Finger danach ausgestreckt, um es herauszunehmen. Er hatte das Haar kaum berührt, als ihn ein glühender Schmerz durchzuckte, scharf wie ein Schwert und heiß wie die Hölle. Im gleichen Augenblick hatte er gewusst, dass in der Nacht Entscheidendes geschehen würde.
Das war der Moment gewesen, wo er aufgesprungen und zum Krankenhaus geradelt war. Zum Glück hatte Schwester Heike Nachtdienst, sonst wäre er nie in Lauras Zimmer gelangt. Seitdem saß er an ihrem Bett und wartete, dass etwas geschah.
Aber es geschah nichts – überhaupt nichts!
Plötzlich vernahm Philipp ein Geräusch hinter sich. Als er sich verwundert umdrehte, konnte er nichts erkennen. Nur ein Besucherstuhl stand in der Ecke, aber der war leer.
Er musste sich wohl verhört haben.
Als Philipp zu ihnen herüberblickte, zuckte Laura im ersten Moment erschrocken zusammen. Doch dann erinnerte sie sich wieder, dass er sie ja nicht sehen konnte. In ihrer Traumgestalt hinkte sie dem Geschehen in der Gegenwart doch stets um einige Sekundenbruchteile hinterher, sodass niemand sie wahrnehmen konnte. Während ihrer langen Traumreise in die eigene Vergangenheit und die Welt der Mythen war ihr das entfallen.
»Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du deinen Blick endlich von dem Jungen wenden würdest«, tadelte der Wolkentänzer. »Die Zeit verrinnt, und du musst dich sputen, wenn du dich noch retten willst. Zeig mir endlich, was du aus Aventerra mitgebracht hast!«
Laura fasste in die Tasche und holte ihre Mitbringsel hervor.
Die Kralle des Mantikors.
Das Horn des schwarzen Einhorns.
Und den Karfunkelstein.
Auriel starrte sie fassungslos an. »Wo ist das fünfte Zeichen, Laura? Das Barthaar eines Dämons?«
Laura zuckte mit den Schultern. »Das hat leider nicht geklappt«, sagte sie niedergeschlagen.
»Aber Laura!« Der Wolkentänzer sprang auf. »Weißt du, was das bedeutet? Du wirst sterben, wenn du das fünfte Zeichen bis zum Sonnenaufgang nicht beschaffst!«
»Wie denn?«, schrie sie in höchster Verzweiflung. »Beliaal ist tot! Es ist deshalb völlig unmög…« Weiter kam sie nicht, denn der Wolkentänzer hielt ihr den Mund zu und blickte sie eindringlich an.
»Du sagst es, Laura! Das Fünfte Zeichen der Schlange ist das Barthaar eines Dämons, der lebt, obwohl er schon gestorben ist.«
Laura blickte einen Augenblick fragend drein. Doch dann begriff sie, was der Wolkentänzer meinte.
Rasch packte Auriel ihre Trophäen in die Tasche zurück, legte die Harpyienfeder und den Reißzahn des Schattenhundes dazu und hängte sie Laura um. »Wenn es dir tatsächlich gelingt, die Fünf Zeichen der Schlange zu komplettieren, musst du sie hierherbringen und auf die Bettdecke legen. Sobald deine körperliche Hülle sie spürt, wird sie erwachen, da bin ich mir ganz sicher!«
»Echt?« Laura strahlte, doch sogleich erstarb das Lächeln. »Aber«, begann sie entsetzt, »das klappt nicht, Auriel. Wir hinken der Gegenwart doch ständig hinterher. Mein Körper wird die Zeichen gar nicht spüren können.«
Auriel verzog unwirsch das Gesicht. »Meinst du, das hätte ich nicht bedacht? Du musst einfach einen neuen Weg beschreiten.« Damit beugte der Geflügelte sich vor und flüsterte Laura etwas ins Ohr.
Marius und Anna wollten die Hoffnung schon aufgeben, als Lukas doch noch aus der magischen Pforte trat. Er stürzte auf seine Eltern zu und fiel ihnen jubelnd in die Arme. Als sie jedoch bemerkten, dass der Junge mit leeren Händen zurückgekommen war, verwandelte ihre Freude sich jäh in Entsetzen.
Marius sah seinen Sohn mit versteinerter Miene an. »Weißt du, was das bedeutet?«, fragte er mit brüchiger Stimme. »Laura ist verloren. Es gibt keine Rettung mehr für sie.«
Zur Überraschung der Eltern schüttelte Lukas den
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