Lauras Bildnis
gehegter Lorbeer.
Gold und Topas bei Sonnenschein im Winter
besiegt der Locken Blond beidseits der Augen
die meine Jahre früh hinführn zum Ufer.
Bei den letzten Versen griff Monsieur Bazin mit spitzen Fingern in das Häufchen Lorbeer und ließ die Reste wie Asche über die auf dem Tisch ausgestreckte Laura rieseln. Dann blies er auch die letzte Kerze aus. Francesco schien es nun, daß sich eine Frau aus Fleisch und Blut aus dem Nachbild erhob. Sie glitt vom Tisch herab, nickte ihm zu, lächelnd und geheimnisvoll, wie er es an ihr kannte, und verschwand zur Tür hinaus in den langen, finsteren Gang.
Bazin stand auf und legte beide Hände auf Francescos Schultern. Dann sagte er: »Ich möchte, daß du die Gentildonna holst. Sie gehört in kein Museum. Sie gehört hierher. Nach allem, was du mir erzählt hast, bin ich mir sicher, daß es sich um das einzige authentische Porträt der Donna Laura handelt. Du mußt einen Weg finden, das Bild zu entführen.«
Bazin machte den Eindruck eines Besessenen. Er bewegte sich fahrig und trank Glas nach Glas. Francesco war es unheimlich, und er wollte gehen. Bazin hielt ihn jedoch mit einem schmerzhaften Griff am Oberarm fest.
»Und noch etwas, Francesco. Ist dir noch nicht der Gedanke gekommen, daß Petrarca versucht hat, seine Geliebte umzubringen? Denk an die Narbe. Schließlich hat sie ihn tödlich verletzt durch ihre Weigerung, ihn zu heiraten. Er muß wahnsinnig gelitten haben. Seine ganze Philosophie der Enthaltsamkeit ist dem Schmerz abgepreßt. Ich sage dir, er hat das Bild der Gentildonna Laura auf seine Kosten malen lassen. Es hat ihn viel Geld gekostet, denn er mußte neben dem Kunstwerk auch das Schweigen des Malers über den Auftraggeber kaufen. Vielleicht war der Gatte Donna Lauras verreist, und Petrarca hatte so die Möglichkeit, bei der Entstehung des Bildes selbst anwesend zu sein. Vielleicht ist es sein Daumenabdruck, den du auf dem Rand der Leinwand entdeckt hast. Verkleidet kam er als Schüler oder Gehilfe des Malers. Und er hatte, wie ich deinem Bericht über jene Pentimente entnehme, offenbar die groteske Idee, sich zunächst vor dem nördlichen Fenster malen zu lassen, um sozusagen die Grundierung für seine Geliebte abzugeben. Wahrhaftig, eine seltsame Art der Kohabitation.«
Bazin gab sich dem Rausch seiner Phantasien hin. Sie hielten offenbar Schritt mit dem Rausch seines Körpers.
»Ich kann mir sogar denken, Francesco, wenn ich mich in diesen grandiosen und konsequenten Liebhaber hineinzuversetzen wage, daß er später in einem Anfall von Liebesschmerz das Bild mit dem Messer attackierte, um die Dargestellte symbolisch umzubringen, wie Eingeborene es mit Puppen von Feinden tun, in die sie Nadeln stechen.«
Francesco machte sich gewaltsam frei und ging. Es tat gut, draußen zu sein, und die Erregung fiel von ihm ab. Der Himmel war klar und voller Sterne. Morgen würde es Mistral geben. Als er in seinem Bett lag, dachte er über Monsieur Bazins Vorschlag nach, und er mußte zugeben, daß er ihm nicht schlecht gefiel.
Er entschloß sich zur Reise.
Als er sich verabschieden wollte, war Bazin nirgends auffindbar. Vielleicht ertrug er Abschiede nicht.
Der Abschied von Madame Régusse bestand in einer langen Umarmung. Sie waren beide ungefähr gleich groß, und als er die Arme um sie legte, spürte er ihren Körper von oben bis unten. Sie legten die Stirnen aneinander. Ihre grauen Haarsträhnen fielen über seine Augen. Eine ihrer Hände lag sanft auf seiner Hüfte, die andere fuhr seine Wirbelsäule auf und ab. »Sie muß eine erfahrene und begehrenswerte Liebhaberin gewesen sein, und sie ist es wahrscheinlich immer noch«, dachte Francesco.
Dann saß er im Bus, der nach Avignon fuhr. Es war unerträglich heiß. Er aß ein Baguette, das er kurz vor der Abfahrt noch bei der schönen Bäckerin gekauft hatte. Auch dies war ein besonderer Abschied gewesen. Ihr Blick, ihr Lächeln, die Art, wie sie versuchte, seinen Namen richtig auszusprechen, all das deutete seiner Meinung nach auf ihr Interesse an ihm. Auch, daß sich ihre Hände kurz berührten, als er ihr die Geldstücke gab. Doch es war ein Interesse ohne Gewicht. Es war leicht und schwebte wie der Mehlstaub im Raum, der sich im Verlauf eines Arbeitstages auf alles hier niederließ.
In Avignon verbrachte er den Nachmittag in einer Kneipe in der Nähe des Bahnhofs. Es war laut und dreckig. Damen und Herren der Halbwelt schienen hier zu verkehren. Ihm schenkte niemand Beachtung. Er saß da und
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