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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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hörte auf die Stimme der Natur und modulierte seine eigene danach: – O meine Tullia! meine Tochter! mein Kind! – noch immer, immer, immer! – es war meine Tullia – meine Tullia! – Es ist mir als sehe ich meine Tullia, als höre ich meine Tullia, als spreche ich mit meiner Tullia. – Sobald er aber in das Magazin der Philosophie zu schauen begann, und sah, wie viel treffliche Dinge sich bei diesem Anlass sagen ließen, – so, sagt der große Redner, kann sich kein Mensch vorstellen, wie glücklich, wie vergnügt mich das machte.
    Mein Vater war auf seine Beredsamkeit ebenso stolz, wie Marcus Tullius Cicero es nur immer sein konnte, und so lange man mich nicht vom Gegenteile überzeugt, mit ebensoviel Recht. Es war in der Tat seine Stärke – aber allerdings auch seine Schwäche. – Seine Stärke, denn er war von Natur beredt; und seine Schwäche, weil sie ihm stündlich Streiche spielte; und wenn sich eine Gelegenheit bot, wo er seine Talente zeigen, und etwas Kluges, Witziges oder auch Verschrobenes sagen konnte, – (den Fall eines systematischen Unglücks ausgenommen), – so hatte er Alles was er brauchte. – Ein Glücksfall, der meinem Vater die Zunge band, und ein Unglück, das sie mit Anstand löste, machten so ziemlich die gleiche Wirkung auf ihn; bisweilen sogar das Unglück eine bessre, wenn zum Beispiel das Vergnügen sprechen zu können, gleich zehn, und der Schmerz über das Unglück gleich fünf war, – so gewann mein Vater gerade die Hälfte; und kam deshalb über jenen so gut weg, als ob er ihn nie befallen hätte.
    Hierdurch erklärt sich Manches, was sonst im häuslichen Charakter meines Vaters ganz widersinnig erschienen wäre; dies ist auch der Grund, weshalb bei den Anlässen, wo Nachlässigkeiten und Fehler der Diener oder andere Widerwärtigkeiten, die in einer Familie nun einmal nicht zu vermeiden sind, seinen Zorn reizten, dieser oder vielmehr die Dauer desselben beständig jeder Berechnung spottete.
    Mein Vater hatte eine kleine Lieblingsstute, die er von einem sehr schönen arabischen Hengste belegen lassen wollte, um daraus einen Passgänger für seinen eigenen Gebrauch zu erhalten. In allen seinen Projekten sanguinisch, sprach er auch täglich von diesem Passgänger mit der grössten Sicherheit, wie wenn derselbe schon auferzogen, dressiert, gesattelt und gezäumt vor seiner Türe stände, so dass er nur aufsitzen dürfte. Durch irgend eine Nachlässigkeit Obadiah's kam es jedoch, dass die Erwartungen meines Vaters – durch einen Maulesel erfüllt wurden, ein so hässliches Vieh, als je eines das Licht der Welt erblickte.
    Meine Mutter und mein Onkel Toby fürchteten, mein Vater werde den Obadiah umbringen, und seine Klagen über dieses Missgeschick würden nie ein Ende nehmen. – Da sieh, du Spitzbube, was du getan hast! rief mein Vater und deutete auf den Maulesel. – Ich hab' es nicht getan, sagte Obadiah. – Wer beweist mir das? erwiderte mein Vater.
    Triumph schwamm im Auge meines Vaters bei dieser Erwiderung. – Das attische Salz hatte es mit Wasser gefüllt; – und so bekam Obadiah nie mehr etwas davon zu hören.
    Wir wollen nun zum Tode meines Bruders zurückkehren.
    Die Philosophie hat für Alles schöne Worte. Für den Tod hat sie eine ganze Reihe; das Unglück war nur, dass sie meinem Vater alle zumal in den Kopf kamen, so dass es schwer war sie in der Art zu vereinigen, um eine solide Schaustellung daraus zu bilden. – Er nahm sie also wie sie kamen.
    Es ist eine unvermeidliche Schickung, – der erste Paragraph der Magna Charta, – eine ewig dauernde Parlamentsakte, lieber Bruder, – dass Alle sterben müssen.
    Wenn mein Sohn nicht hätte sterben können, so wäre dies ein Wunder gewesen; – dass er gestorben, ist keins.
    Könige und Prinzen tanzen in dem gleichen Reigen mit uns.
    Sterben ist die große Schuld, der große Tribut, den wir der Natur bezahlen müssen: Gräber und Denkmäler, die unser Andenken verherrlichen sollen, bezahlen ihn ebenfalls; die stolzeste Pyramide, welche Reichtum und Wissenschaft errichtet hat, hat dann ihre Spitze verloren und steht nun abgestumpft vor den Blicken des Wanderers. – (Mein Vater fand, dass es ihm leichter wurde und er fuhr fort.) Haben nicht Reiche und Provinzen, Städte und Städtchen ihre Perioden? und wenn die Grundsätze und Kräfte, welche sie anfangs zusammenführten und verketteten, ihre Evolutionen durchgemacht haben, zerfallen sie. – Bruder Shandy, sagte mein Onkel Toby bei dem Worte

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