Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
meines dazu keiner anderen Hand anzuvertrauen, als der jener alten Frau. – Nun muss ich sagen, das gefällt mir: – Wenn wir das nicht bekommen können was wir wünschen, auch das nicht zu wollen, was an Güte unmittelbar darauf kommt. Nein! das ist ja über alle Begriffe jammerwürdig! – Erst heute vor 8 Tagen – wir haben heute, wo ich dieses Buch zur Erbauung der Welt schreibe, den 9. März 1759 – sagte meine liebe, liebe Jenny, als sie bemerkte, dass ich ein etwas ernstes Gesicht machte, als sie um Seidenzeug zu fünfundzwanzig Schilling die Elle handelte – zu dem Krämer, es tue ihr leid, ihm so viel Mühe gemacht zu haben; – und ging gleich darauf hin und kaufte sich einen ellenbreiten Stoff zu 10 Pence die Elle! –Dies ist eine Wiederholung derselben Seelengrösse; nur wurde das Ehrenvolle davon in meiner Mutter Fall dadurch etwas gemindert, dass sie sich in kein so gewaltsames und gewagtes Extrem stürzen konnte, wie eine Frau in ihrer Lage hätte wünschen mögen, weil die alte Hebamme wirklich einen kleinen Anspruch auf Verlässlichkeit erheben konnte – soweit wenigstens als der Erfolg ihr einen solchen verleihen konnte, insofern sie im Laufe ihrer beinahe zwanzigjährigen Praxis in dem Kirchspiel jeder Mutter Sohn ohne einen Fehlgriff oder Unfall, der ihr hätte zur Last gelegt werden können, zur Welt befördert hatte.
Obschon diese Tatsachen ihr Gewicht hatten, so konnten dadurch doch einige Zweifel und Unbehaglichkeiten, die sich in Beziehung auf diese Wahl im Geiste meines Vaters erhoben hatten, nicht vollständig beseitigt werden. – Denn abgesehen von der natürlichen Wirkung der Menschlichkeit und des Rechtsgefühls – oder den Besorgnissen väterlicher und ehegattlicher Liebe, die ihn darauf verwiesen bei einem Falle dieser Art möglichst wenig dem Zufall zu überlassen, – war er noch ganz besonders dabei interessiert, dass dies Mal Alles seinen geweisten Weg gehen möchte, weil er sie von einer doppelten Last gedrückt wusste, wenn seinem Weib und Kind bei der Niederkunft in Shandy Hall ein Unfall zustoßen sollte. – Er wusste, dass die Welt immer nach dem Erfolg urteile, und sein Unglück in einem solchen Fall dadurch noch vermehren würde, dass sie ihm die ganze Schuld aufbürdete. »Ach das Unglück! – hätte man der armen Frau Shandy doch nur ihren Willen getan und sie in die Stadt reisen und dort niederkommen lassen! – es heißt ja, sie habe auf den bloßen Knien darum gefleht und gebettelt! – und wenn wir bedenken, was für ein schönes Vermögen Herr Shandy mit ihr erheiratet hat – so wäre es doch keine so große Sache gewesen, ihren Wunsch zu erfüllen – und dann würde die Frau und ihr Kind noch zur Stunde am Leben sein!« –
Gegen solche Reden, das wusste mein Vater, war nicht aufzukommen – und doch war er nicht allein wegen seiner eigenen Deckung, noch auch lediglich aus Sorge für seinen Sprössling und sein Weib so besonders ängstlich in diesem Punkte; mein Vater hatte in Allem einen weiten Blick – und war überdies wie er glaubte, des öffentlichen Wohles wegen in dieser Sache interessiert, indem er fürchtete, dass ein unglückliches Beispiel in einem solchen Falle noch in anderer Richtung missbraucht werden könnte.
Er hatte es sich längst tief zu Gemüte geführt, dass alle politischen Schriftsteller, die sich mit der Sache beschäftigten, seit Beginn der Regierung der Königin Elisabeth bis heute, darin übereinstimmten und es beklagten, dass die Strömung von Menschen und Geld nach der Hauptstadt aus diesem oder jenem leichtfertigen Grunde so stark geworden war, dass dadurch unsere bürgerlichen Rechte in Gefahr gerieten. Hiebei erschien ihm jedoch das Gleichnis einer Strömung nicht erschöpfend genug, er liebte es vielmehr den Ausdruck »Krankheit« zu gebrauchen und behauptete, es sei ganz derselbe Fall mit dem nationalen wie mit dem menschlichen Körper, wo, wenn das Blut und die Lebensgeister schneller in den Kopf getrieben würden, als sie den Weg wieder abwärts fänden, – eine Stockung in der Zirkulation eintreten müsse, die in beiden Fällen den Tod bedeute.
Es sei, pflegt er zu sagen, wenig Gefahr vorhanden, dass wir unsere Freiheiten durch die Politik Frankreichs oder gar durch eine französische Invasion verlieren würden; auch habe er keine Angst, dass aus der Masse verdorbener Stoffe und den schwärenden Säften in unserer Konstitution, die doch nicht so schlimm sei als man meine, eine Auszehrung entstehe; – wohl
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