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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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aber fürchte er, dass wir bei einem heftigen Stoß alle miteinander einen Staats-Schlaganfall erleiden könnten – und dann, pflegte er hinzusetzen, sei uns Gott gnädig.
    Mein Vater brachte es aber nie übers Herz, die Geschichte dieser Krankheit zu schildern – ohne zugleich das Heilmittel anzugeben.
    Wenn ich ein unumschränkter Fürst wäre, pflegte er zu sagen, wobei er sich aus seinem Armstuhl erhob, und seine Hosen mit beiden Händen hinaufzog, würde ich an allen Zugängen zu meiner Hauptstadt geschickte Richter aufstellen, welche einen jeden Narren, der des Weges käme, über seine Geschäfte vernehmen müssten; – und wenn aus einem ehrlichen und offenen Verhör hervorginge, dass kein genügender Grund vorhanden sei, um seine Heimat zu verlassen und mit Sack und Pack, Weib und Kind, Pächterssöhnen u. s. w. im Gefolge daher zu kommen, so müssten sie alle als Vagabunden von Konstabler zu Konstabler bis an den Ort ihrer gesetzlichen Wohnstätte zurücktransportiert werden. Durch diese Vorkehrung würde ich bewirken, dass meine Hauptstadt nicht unter ihrem eigenen Gewichte schwankte, – dass der Kopf nicht zu groß für den Körper würde, – dass die Extremitäten, welche jetzt öde liegen und ausgeschlossen sind, ihren natürlichen Anteil an der Nahrung, und damit ihre natürliche Kraft und Schönheit wieder gewinnen würden; – ich würde bewirken, dass die Wiesen und Felder meiner Besitzungen lachen und singen sollten; – dass wieder gesellige Freude und Gastfreundschaft blühen sollte; – und dass dadurch so viel Macht und Einfluss in die Hände des Mittelstandes meines Reiches käme, damit das, was mein Adel jenen nimmt, wieder abgeglichen würde.
    »Wie kommt es, pflegte er in einiger Aufregung zu fragen, wahrend er im Zimmer auf und abging, dass es in so vielen herrlichen Provinzen Frankreichs so wenig Schlösser und Edelsitze gibt? Woher kommt es, dass die wenigen noch vorhandenen Châteaux so zerfallen – so öde und leer, in einem so traurigen Zustande des Verkommens sind? – Deshalb, mein Herr, erwiderte er dann, weil in diesem Reiche Niemand ein Interesse an dem Land und Landleben hat; – weil das kleine Interesse, das dort überhaupt Einer besitzt, sich am Hofe, im Blick des großen Monarchen konzentriert; weil von dem Sonnenschein dieses Antlitzes oder dem Gewölk, das darüber geht, jeder Franzose lebt oder stirbt.«
    Ein weiterer politischer Grund, der meinen Vater so sehr antrieb, gegen den geringsten Unfall beim Wochenbette meiner Mutter auf dem Lande, auf der Hut zu sein – war, dass jedes derartige schlimme Beispiel unfehlbar die ohnehin schon zu große Macht der schwächeren Gefäße des Landadels in seiner und in höheren Stellungen (nämlich der Frauen) noch vermehren musste; was in Anbetracht der vielen anderen usurpierten Rechte, welche sich dieser Teil der Konstitution täglich anmaßte, schließlich dies monarchische System des, vom Anfang der Dinge an durch Gott eingesetzten Hausregiments gefährden musste.
    In dieser Beziehung war er ganz der Ansicht des Sir Robert Filmer, dass die Grundzüge und Einrichtungen der grössten Monarchien des Morgenlands ursprünglich alle dem wundervollen Muster und Urbild dieser väterlichen und häuslichen Gewalt entnommen seien. – Zwar seien dieselben, fuhr er fort, seit einem Jahrhundert und länger allmählich in eine gemischte Regierungsweise ausgeartet, aber diese letztere Form, möge dieselbe auch bei großen Vereinigungen des Menschengeschlechts wünschenswert sein, sei bei kleinen sehr lästig und bringe, so viel er bis jetzt gesehen habe, selten etwas Anderes als Verwirrung und Unheil zu Stande.
    Aus allen diesen geheimen und offenen Gründen zusammen – war mein Vater entschieden für Beiziehung eines Geburtshelfers, meine Mutter aber ebenso entschieden dagegen. Mein Vater bat und drängte, sie möchte doch für dies Mal ihr Vorrecht in dieser Angelegenheit fallen und ihn für sie wählen lassen; meine Mutter dagegen bestand fest auf ihrem Recht für sich selbst zu wählen – und sich keines Sterblichen Beistandes bedienen zu müssen, als dessen der alten Frau. – Was konnte mein Vater weiter in der Sache tun? Er war mit seinem Witz zu Ende, – besprach es mit ihr nach allen Richtungen – setzte seine Gründe in das beste Licht – überlegte die Sache mit ihr als Christ – als Heide – als Gatte – als Vater – als Patriot – als Mann. Meine Mutter erwiderte auf Alles nur als Weib; es war dies eine etwas

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