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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharp
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ist doch nur recht und billig, dass er so aussieht wie du. Wäre doch verdammt merkwürdig, wenn’s nicht so wäre. Ich meine, wenn ich einen Sohn hätte und der würde aussehen wie jemand anders, dann wäre ich nicht besonders glücklich, wo ich doch so oft von zu Hause weg bin, verstehst du, was ich meine?«
    Horace glaubte zu verstehen, doch er behielt seine Gedanken für sich. Allmählich kam ihm eine absolut bemerkenswerte Idee. Dazu war die Kooperation seines Schwagers nötig, doch der durfte davon nichts merken. Horace würde wirklich sehr behutsam vorgehen müssen. Er griff auf seine Erfahrung als Filialleiter der Lowland Bank zurück. Seit mehr Jahren, als er zählen mochte, hatte er Kunden, die Dispokredite am allerwenigsten brauchten, dazu überredet, sie aufzunehmen, während er kleinen Unternehmen Kredite verweigert hatte, die sie dringend benötigten.
    »Na ja, ich gebe dir ja recht, dass es nicht richtig ist, so zu empfinden, wie ich es tue. Das weiß ich, aber ich kann nichts dagegen machen. Ständig hängt er hier herum und bedrängt mich. Es ist … es ist, als hätte ich ein Double.«
    »Ein Double?«, fragte Albert, der mit diesem Begriff ebenso Probleme hatte wie mit dem Wort Psyche. Was vielleicht verständlich war, wenn man bedachte, dass sein Verstand nur selten die Welt des Autokaufens und -verkaufens verließ. Und von einer Marke namens Double hatte er ganz bestimmt noch nie gehört.
    »Einen Doppelgänger, jemand, der immer bei einem ist und sich genauso benimmt wie man selbst, und man wird ihn nicht los«, erklärte Horace. Mit einem unheilvollen Glitzern in den Augen hielt er inne. »Außer indem man ihn umbringt.«
    »Meine Fresse«, stieß Albert hervor, nunmehr ernsthaft erschrocken. Horace war eindeutig vollkommen übergeschnappt. »Willst du etwa sagen, du willst ihn ermorden?«
    »Ich will nicht. Ich muss. Du weißt ja nicht, wie das ist, nie von jemandem wegzukönnen, der ganz genauso ist wie du, aber auch wieder nicht. Wenn er nur mal eine Weile weggehen und mich in Ruhe lassen würde, dann würde ich mich gleich viel besser fühlen. Ich meine, es ist nicht schön, dieses schreckliche Bedürfnis zu haben, den eigenen Sohn am liebsten ermorden zu wollen. Und gleichzeitig muss ich auch an Vera denken. Ich würde ja meinen Job an den Nagel hängen und selber weggehen, aber ich muss sie doch versorgen und meinen Lebensunterhalt verdienen, und sie war immer so eine wunderbare Ehefrau, da möchte ich natürlich nichts tun, was ihr Kummer machen würde.«
    Albert Ponson überdachte diese Worte und fand es schwer, sie mit Horaces furchtbarem Drang in Einklang zu bringen, Esmond zu töten. »Kummer« war sehr milde ausgedrückt. Veras Reaktion würde um ein Vielfaches tödlicher ausfallen. Tatsächlich würde die Adresse Selhurst Road 143 in die Annalen der britischen Kriminalgeschichte eingehen und zusammen mit Rillington Place und anderen Häusern genannt werden, in denen eine ganze Reihe von Schreckenstaten stattgefunden hatten. Und für »Ponsons Autos aus zweiter Hand« wäre das auch nicht gerade vorteilhaft.
    Horace sah, dass Albert schwach wurde, und schlug abermals zu.
    »Ich hab auch schon darüber nachgedacht, wie ich es mache. Natürlich muss ich jede Spur von ihm beseitigen«, meinte er. »Ich kann ihn doch nicht zerstückeln und im Garten oder im Keller vergraben. Also müsste ich seine Leiche in Säure auflösen. Ich habe die Wassertonne hinter der Garage ausgemessen, und er würde da problemlos reinpassen, mit seinen schlaksigen Armen und Beinen und dem ganzen Rest. Und ich habe einen Kunden in der Bank, der handelt mit Säure und Chemikalien, der könnte mir ganz billig hundertachtzig Liter Salpetersäure besorgen.«
    Albert ließ den Kopf in die Hände sinken und hörte dem wirren Gefasel seines Schwagers nur mit halbem Ohr zu. Jegliche Hoffnung, sich schnell in die relative Normalität des heimischen Bungalows flüchten zu können, schwand.

7
     
    Als Albert Ponson schließlich wieder nach unten ging, war er zutiefst erschüttert. Seine Gefühle für seinen Schwager hatten sich von Verachtung zu Abscheu und Furcht gewandelt. Der verdammte Kerl hatte seine Pläne, wie er sich Esmonds sterblicher Überreste zu entledigen gedachte, mit einem solchen Ausmaß an Details und einem Genuss geschildert, dass es vollkommen überzeugend gewesen war. Horace Wiley mochte Bankangestellter sein, doch er war drauf und dran, sich in einen mordgierigen Irren zu verwandeln. Und um den

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