Lauter Irre
ein Taschentuch hervor und wischte sich die Stirn ab. Er hatte gewusst, dass Vera die Wand hochgehen würde, wenn er von Geld und Schulden anfing. Doch wie erwartet hörte sie ihm jetzt sehr viel aufmerksamer zu.
»Das Wichtigste ist, ihn dahin zu kriegen, dass er wieder arbeitet«, erklärte er. »Die Schulden sind nicht sein Hauptproblem, obwohl ich nicht weiß, was ihn geritten hat, all euer Geld in Aktien und Wertpapieren anzulegen. Egal, es heißt, der Aktienmarkt ist im Aufschwung, und solange er bei der Bank arbeitet, kann er das alles regeln. Also, was er wirklich braucht, ist Zeit für sich und Abstand von Esmond. Wer weiß, was sonst noch passiert.«
»Aber Ende dieser Woche fangen die Ferien an, und wie soll ich denn verhindern, dass mein kleiner Liebling Esmond Horace auf die Nerven geht? Er ist so ein liebenswerter Junge, will immer hilfsbereit sein und …«
»Darüber habe ich schon nachgedacht«, verkündete Albert, ehe sie in ihre Übelkeit erregende Sülzerei verfallen konnte. »Esmond kann zu uns kommen, mir ein bisschen zur Hand gehen und Horace ein bisschen Ruhe und Frieden verschaffen, damit er wieder gesund wird …«
Im Obergeschoss lauschte Horace Wiley dem Stimmengemurmel in der Küche und fühlte sich besser. Die Nummer mit dem Wasserfass hatte gezogen. Sogar Albert hatte eine komische Farbe angenommen, als er das gehört hatte.
8
In Albert Ponsons riesigem Bungalow, mit seinem Mix aus Flockdrucktapeten, goldenen Dralonsofas und knöcheltiefem rosa Teppichboden, wo jedes Schlafzimmer sowohl mit einem Bad als auch mit einem Jacuzzi ausgestattet war, wurde die Neuigkeit, dass dieser Ort demnächst von Esmond Wiley heimgesucht werden würde, nicht unbedingt freudig aufgenommen.
Belinda Ponson, Alberts Frau, war keine füllige, laute, schillernde Person wie ihre Schwägerin, und sentimental war sie ganz bestimmt nicht. Am besten konnte man sie als ruhig und ordnungsliebend beschreiben – wenngleich sie nicht immer so gewesen war –, und besonders heikel war sie, wenn es um ihre Wohnungseinrichtung ging. Der Gedanke daran, was ein Halbwüchsiger mit schlammverschmierten Schuhen und öligen Händen der Flortapete und den Dralonsofas antun könnte, ganz zu schweigen von dem rosa Teppich, beunruhigte sie zutiefst.
»Ich lasse nicht zu, dass er alles verschandelt«, sagte sie zu Albert, der stets vor der Haustür die Schuhe ausziehen und ein Paar Pantoffeln überstreifen musste, ehe er den Bungalow betrat. »Ich weiß, wie Jungs sind. Deine Schwester hat ihren Sohn fürchterlich verzogen, und waschen tut er sich bestimmt auch nicht. Was ist bloß über dich gekommen, ihn einzuladen, ohne mich zu fragen?«
»Horace ist über mich gekommen«, erwiderte Albert kurz angebunden. »Er ist übergeschnappt.«
»Das ist mir egal. Er hat dir niemals einen Gefallen getan, ich möchte also wirklich mal wissen, warum du ihm einen tun musst.«
»Weil, wie gesagt, er ist völlig von der Rolle, und er wird weiter von der Rolle sein und noch was Schlimmes anrichten, wenn er den Jungen ständig um sich hat. Ich will mich nicht für den Rest ihres Lebens um Vera kümmern müssen. Möchtest du etwa, dass sie hier wohnt und sich in alles einmischt?«
Darauf brauchte Belinda nicht zu antworten.
»Also, ich will nur nicht, dass Esmond seine Freundinnen hier anschleppt und in dreckigen Jeans herumfläzt und mir das Haus auf den Kopf stellt.«
Albert schenkte sich aus einer geschliffenen Glaskaraffe mit einem goldenen Etikett, auf dem Chivas Regal stand, einen großen Scotch ein.
»Er trägt keine Jeans. Er rennt in einem dunkelblauen Anzug rum, mit Krawatte, genau wie sein Dad«, bemerkte er. »Das ist es ja, was Horace in den Wahnsinn getrieben hat. Er sagt, es ist, als gäbe es ihn selbst noch einmal im Haus.«
»Ihn selbst noch einmal? Wovon redest du eigentlich? So einen Blödsinn habe ich noch nie gehört.«
»Als ob er ein Double … einen Doppelgänger hätte. Als wäre er eine gespaltene Persönlichkeit. Und wenn man Horace so sieht, ich meine, wie er aussieht, dann muss es verdammt grässlich sein, ihn zweimal im Haus zu haben.«
»Wenn das so ist, dann will ich nicht mal einen davon hierhaben«, sagte Belinda. »Deine Schwester kann alle drei behalten.«
»Alle drei? Was zum Teufel quatschst du denn da?«, wollte Albert wissen. Doch Belinda war bereits in die Poggenpohl-Küche marschiert, um sich an der Waschmaschine abzureagieren.
Die Annehmlichkeiten des modernen Lebens hatten auf sie
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