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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharp
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die übliche beruhigende, besänftigende Wirkung. Fast verbargen sie ihre Gefühle vor ihr selbst. Der Mixer, die Mikrowelle, der auf Schulterhöhe eingebaute Backofen mit Drehspieß, die Espressomaschine und die Edelstahlspüle mit dem separaten Hahn für gefiltertes Wasser, all das diente ihr als Bestätigung, dass ihr Leben einen Sinn hatte, auch wenn das Leben mit Albert oft das Gegenteil nahelegte.
    Albert konnte sein Schwimmbad haben und seine ledergepolsterte Bar mit den aus Sätteln und Steigbügeln fabrizierten Barhockern und den Wildwest-Nummernschildern und Flaggen. Sogar seinen Yellow Rose of Texas -Aufkleber auf der Stoßstange; er konnte seine Grillpartys und seinen Gasgrill haben, um seine Freunde zu beeindrucken und seine Männlichkeit zu beweisen. Er konnte im Grunde alles haben, was er wollte – außer ihrer Küche und ihren geheimen Gedanken. Auch ihr unbefriedigtes Verlangen ging ihn nichts an. Obwohl, wenn sie es recht bedachte, dürfte er das durchaus zur Kenntnis nehmen und befriedigen. Die Küche jedoch, die war sakrosankt, auch wenn sich dahinter nur ihre anderen Bedürfnisse verbargen.
    Belinda Ponson sann über Esmond Wileys Besuch nach. Wenn er wirklich so war wie sein Vater und einen dunklen Anzug mit Krawatte trug, dann war er vielleicht genau das Gegengift gegen Albert, auf das sie gewartet hatte. Albert war zu platt und zu ungehobelt. Und es war ihm nicht gelungen, ihr das zu geben, was sie sich mehr wünschte als alles andere auf der Welt. Eine Tochter. Etwas, wovon sie geträumt hatte, seit sie selbst ein kleines Mädchen gewesen war, umgeben von Großmüttern und Tanten und Cousinen.
    Belindas Miene hellte sich auf. Vielleicht konnte der Junge ja etwas anderes sein. So etwas wie ein Lustknabe. Sie wusste ganz genau, dass Albert ihr in all den Jahren ihrer Ehe nicht treu gewesen war, und vielleicht war dies der Moment, sich von dem schrecklichen Kerl zu befreien.
    Wenn Esmond so war wie sein Vater, dann war es durchaus wahrscheinlich, dass er schüchtern, fügsam und leicht zu beeinflussen war. Tatsächlich fand Belinda die Vorstellung, Esmond im Haus zu haben, immer erfreulicher, je länger sie darüber nachdachte.

9
     
    Beinahe genau gegensätzliche Gedanken gingen Vera Wiley durch den Kopf.
    Vera war noch immer nicht über den Schock hinweggekommen, dass Horace durch Börsenspekulationen Schulden gemacht hatte. Sie ertrug den Gedanken nicht, was für Konsequenzen es hätte, wenn er sich nicht von seinem Zusammenbruch erholte, an seinen Schreibtisch in der Bank zurückkehrte und alles an Wertpapieren verkaufte, was er noch besaß, sobald der Markt wieder anzog.
    Andererseits fand sie die Aussicht grauenvoll, auch nur vorübergehend von Esmond getrennt zu sein, ihrem Kind der Liebe. Und besonders dass er Belinda besuchen sollte, diese Ziege von Schwägerin. Albert war ja auf seine eigene schroffe Art ganz in Ordnung, auch wenn seine Geschäfte ein wenig fragwürdig waren, diese Belinda aber, die war überhaupt kein netter Mensch.
    »Ich kann es gar nicht oft genug sagen«, verkündete sie Horace, ohne zu übertreiben, »diese Belinda ist kalt wie eine Hundeschnauze. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was Albert an der findet.«
    Horace konnte sich das durchaus vorstellen, doch er behielt seine Ansichten zu diesem Thema für sich. Alberts Entschluss, eine ausgebildete Juristin für Immobilienrecht und Steuerfragen zur Frau zu nehmen, war für einen Mann in seiner Branche sehr schlau gewesen. Tief in seinem eigenen verschlagenen Herzen beneidete Horace ihn ziemlich. Außerdem war Belinda eine attraktive Frau und hatte sich ihre Figur bewahrt, was mehr war, als man von Vera behaupten konnte. Und was ihm noch mehr gefiel, sie hielt Distanz, zumindest, wenn die Ponsons Besuch hatten. Sie war einfach da, im Hintergrund, machte sich in der Küche nützlich und drängte sich nicht in den Mittelpunkt wie Albert und Vera.
    Nicht, dass die Wileys zu vielen Partys der Ponsons eingeladen wurden, und die, auf denen sie gewesen waren, waren für Horaces Geschmack und für seinen Ruf als respektabler Filialleiter zu wüst gewesen. Und nach dem, was man so hörte, waren das noch harmlose Zusammentreffen, verglichen mit einigen, mit denen Albert geprahlt hatte. Sogar Vera war über die Schilderungen ihres Bruders von Pärchen in den Jacuzzis schockiert gewesen, obwohl Horace ihr insgeheim eine ordentliche Portion Neid unterstellt hatte. Umso mehr verblüffte es ihn, dass sie bereit war, Esmond den

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