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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharp
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du siehst aus, als ob du dich schon mal bei’nem guten Bestattungsunternehmen anmelden solltest. Ich hab Kerle gesehen, die haben besser ausgesehen, als man bei ihnen die künstliche Beatmung abgestellt hat.«
    Horace starrte ihn giftig an.
    »Vielen Dank«, schnappte er. »Du bist wirklich ein großer Trost. Und wenn du nichts dagegen hast, wäre ich jetzt dankbar, wenn du wieder runtergehst und mich ein bisschen ausruhen lässt.«
    Doch Albert ließ sich nicht so leicht vertreiben.
    »Geht nicht«, erwiderte er. »Vera will wissen, was Sache ist. Du stehst früh auf, kommst spät nach Hause und stinkst nach Fusel – hast du was nebenbei laufen?«
    »Nebenbei? Was meinst du denn damit?«
    »’ne Braut, eine Freundin. Du weißt schon,’ne Tussi.«
    »Also du kannst runtergehen und ihr sagen, ich habe nichts nebenbei laufen«, verkündete Horace. »Es ist nichts dergleichen.«
    Zweifelnd sah Albert ihn an.
    »Na schön. Ich glaub’s dir, obwohl viele das nicht tun würden. Es ist doch kein Krebs, oder?«
    »Nein. Es ist keine normale Krankheit. Es ist viel schlimmer.«
    Er hielt inne. Albert Ponson war nicht die Sorte Mensch, der er sich anvertrauen wollte. Er würde nicht im Mindesten verstehen, was für Probleme es mit sich brachte, einen Sohn wie Esmond zu haben, der genauso aussah wie man selber und sich genauso benahm wie man selber. Nein, Albert wäre überhaupt keine Hilfe. Einem Mann, der herumlief und völlig unmusikalischen Neffen Schlagzeuge schenkte, musste ja jegliche Sensibilität fehlen.
    Andererseits konnte Horace sich nicht dazu durchringen, Vera von seinen Gefühlen zu erzählen. Ihre hingebungsvolle Zuneigung zu Esmond und ihre grässliche Sentimentalität empfand Horace inzwischen als geradezu sadistisch oder zumindest als eine Form von Gewalt. Er konnte ihr unmöglich gestehen, was Sache war. Alles war besser als die schreckliche Szene, die selbst auf die leiseste Andeutung folgen würde, dass Horace den Anblick seines Sohnes nicht ertragen konnte. Albert war von seiner Schwester ausreichend eingeschüchtert, um das zu begreifen. Jäh kam Horace zu einem Entschluss.
    »Es ist Esmond. Das ist es, was mit mir los ist. Er tut meiner Psyche fürchterliche Dinge an.«
    Albert Ponson bemühte sich, mit dieser Behauptung zurande zu kommen. Da er im Gebrauchtwagenhandel tätig war, verstand er etwas von Psychologie, Psyche jedoch war ihm neu.
    »Du meinst, mit dem Schlagzeug? Ja, na ja, Vera hat mir davon erzählt und all das, aber …«
    »Nicht das Schlagzeug«, wehrte Horace ab. »Und auch nicht das Klavierüben. Er selbst …« Er seufzte erbärmlich. »Du hast keine Familie, deshalb hast du keine Ahnung.«
    »Nein, Belinda und ich sind nicht mit Kindern gesegnet worden«, erwiderte Albert ein wenig steif. Offensichtlich war das ein wunder Punkt.
    »Gesegnet? Gesegnet? Du weißt ja gar nicht, was für ein Glück du hast.«
    »So würde ich das nicht ausdrücken. Ich meine, wir haben es jahrelang versucht. Irgendwas muss bei Belinda da drinnen nicht stimmen, weil an mir liegt’s ganz sicher nicht … Egal, was stimmt denn nicht mit Esmond? Scheint doch ein feiner, strammer Bengel zu sein.«
    Einen Augenblick lang vergaß Horace seinen Kater. Es war ihm niemals in den Sinn gekommen, dass irgendjemand Esmond als etwas Feines, Strammes betrachten könnte, und das mit dem »Bengel« war definitiv verdächtig.
    »Du lügst«, sagte er. »Er ist nicht fein, und stramm ist er ganz bestimmt nicht. Er sieht haargenau so aus wie ich in dem Alter, und das ist etwas, das ich meinem schlimmsten Feind nicht wünschen würde. Ich kann ihn nicht ertragen und will seine jämmerliche Visage nie wiedersehen.«
    Albert Ponson starrte Horace an und versuchte, diese außergewöhnliche Bemerkung zu erfassen. Er hatte seinen Schwager noch nie auch nur im Mindesten sympathisch gefunden und hatte niemals begriffen, warum Vera den Mann geheiratet hatte, doch er teilte die simple Sentimentalität seiner Schwester und ihren Glauben an die einfachsten Familienbande. In seiner Welt hatten Väter ihre Söhne zu lieben oder wenigstens stolz auf sie zu sein. Es war dasselbe wie bei Katzen und Hunden. Man mochte sie gern, weil sie einem gehörten. Herumzulaufen und zu verkünden, dass man seinen eigenen Sohn nicht ausstehen konnte, war nicht nur einfach nicht nett – es war widernatürlich.
    »Das ist aber gar nicht nett, so was zu sagen, Horace«, stellte er schließlich fest. »Überhaupt nicht nett. Esmond ist dein Sohn. Es

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