Lauter Irre
nicht.«
Der Forensikexperte schüttelte den Kopf und behielt seine Gedanken für sich. Er hatte schon in den besten Zeiten eine extrem schlechte Meinung von den Kollegen in Uniform, und die Polizeitruppe aus Essexford, die einen Bulldozer auffahren ließ, nur um ein Garagentor aufzubrechen und sich Zugang zu einem Haus zu verschaffen, war bestimmt die schlimmste, die ihm jemals untergekommen war.
»Gibt’s sonst noch irgendetwas, was ich mir ansehen soll?«, erkundigte er sich, während er auf seinen Wagen zustrebte und sich insgeheim fest vornahm, dem Innenministerium klarzumachen, dass sie künftig seine Zeit nicht mehr verschwenden sollten.
Der Superintendent ergriff die Gelegenheit beim Schopf. Die Arroganz des Experten war ihm noch immer ein Dorn im Auge.
»Da wäre noch ein weiteres Gebäude, in das Sie mal einen Blick werfen sollten«, sagte er und ging voran, den Weg hinunter zu dem Do-it-Yourself-Schlachthaus. Das Schild mit den Worten EIGENHÄNDIG TÖTEN & ESSEN an der Hauptstraße hatte er entfernen lassen, nicht jedoch das an der Seitenwand neben dem Eingang. Er wusste, dass die Spurensicherungsteams nicht miteinander sprachen, und beabsichtigte, dem Spezialisten einen besseren Einblick in die mörderischen Neigungen dieses Drecksacks Ponson zu geben. Dies würde dann auch erklären, wieso es notwendig gewesen war, den Bulldozer einzusetzen, um in das Haus einzudringen. Er hatte Erfolg.
»Allmächtiger, der Mann muss ja ein totaler Sadist sein«, brummte der Experte, als er das Schild an dem Gebäude las.
»Werfen Sie einen Blick auf den Fußboden und erzählen Sie mir was Neues«, bemerkte der Superintendent. »Da finden Sie so viele Blutproben, wie Sie brauchen.«
Er wartete an der Tür. Da hat der arrogante Pinsel wenigstens was zu tun, dachte er bei sich und stieß versehentlich mit voller Absicht mit dem Fuß einen vollen Wassereimer um, dessen Inhalt sich über festgetrocknetes Blut auf Beton ergoss. Als der Mann, den er mittlerweile gründlich verabscheute, die Länge des Raumes abgeschritten hatte, sah der Bereich gleich bei der Tür aus wie frisches Blut. Der Forensikexperte fügte daraufhin noch ein wenig von dem seinen hinzu, indem er auf dem nassen Boden ausrutschte und mit dem Kopf auf dem Beton aufschlug. Bevor er wieder auf die Beine kommen konnte, fiel er noch zweimal hin und verlieh seinen Gefühlen in ausnehmend unflätigen Worten Ausdruck.
»Ich sehe lieber mal nach, ob ich ein bisschen Heftpflaster für Sie auftreiben kann«, meinte der Superintendent und eilte zu dem Bungalow zurück.
»Und einen Krankenwagen. Vielleicht habe ich ja eine Gehirnerschütterung!«, brüllte der Forensikspezialist, ehe er langsam zu Boden sank und etwas bequemer auf dem Gras unter dem Schild landete, auf dem SCHLACHTHAUS ZUM SELBERSCHLACHTEN stand. Allmählich ging ihm auf, wie ungemein zutreffend das war.
37
Vera war inzwischen aus dem Gewahrsam des Polizeireviers entlassen und wieder ins Krankenhaus geschafft worden, wo sie in einem abgelegenen, schalldichten Einzelzimmer von einem Psychiater befragt wurde, der es außerordentlich schwierig fand, sie zu analysieren.
Das war in Anbetracht der Belastung der vergangenen Tage nicht weiter überraschend. Vera war zunehmend davon überzeugt, dass ihr geliebter Junge ermordet worden war, und abermals in den grauenvollen Sprachduktus der kitschigen Liebesromane verfallen, die so zahlreiche Jahre lang ihren Verstand ausgeschaltet hatten. Das Ergebnis war, dass sie, als der Psychiater sie fragte, ob sie eine glückliche Ehe führe, antwortete, ihr über alles geliebter Gatte sei der reizendste Mensch, dem sie jemals begegnet sei. Der Arzt zog das Protokoll der früheren Vernehmungen hervor, las, dass sie Horace des versuchten Mordes mit einem Küchenmesser an ihrem geliebten Sohn Esmond bezichtigte (»geliebt« war ein Wort, das ihm mittlerweile zutiefst verhasst war), und wusste diesen Gesinnungswandel nicht zu deuten. Um noch weiter zu seiner Verwirrung beizutragen, behauptete Vera, bevor sie vermählt worden wären, hätten sie und ihr Verlobter bis zum Morgengrauen getanzt, ehe sie sich am Meer im Mondlicht geliebt hätten.
Unklugerweise erkundigte er sich, ob sie damit meine, dass sie Sex gehabt hätten.
»Sie widerwärtiges Geschöpf!«, schrie sie den unglücklichen Psychiater an. »Ich habe gesagt, wir haben uns geliebt, und ich habe ›Liebe‹ gemeint und nicht ›Sex‹.«
Der Psychiater versuchte sich zu entschuldigen, doch Vera
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