Lauter Irre
erst haben, kriegen wir das schon aus ihm raus, und wenn ich Daumenschrauben benutzen muss. Was ich wissen will, ist, wo steckt dieser Wiley?«
»Könnte doch auch tot sein.«
»Könnte überall sein«, brummte der Superintendent unglücklich.
Er war zu dem Schluss gekommen, dass die ganze verdammte Familie wahrscheinlich geisteskrank war, einschließlich des Sohnes, ob nun ermordet oder nicht. Und so wie es aussah, würde es ihm bald genauso ergehen.
In dieser Nacht lag der Superintendent schlaflos da und überdachte den Fall, den er da übernommen hatte. Am Anfang hatte er gedacht, das Ganze würde keine große Sache sein, eine Angelegenheit, die es ihm erlaubte, Albert Ponson zu verhaften, den er zwar schon seit Jahren im Visier gehabt, aber nicht für ein wirklich ernstes Verbrechen hatte drankriegen können. Jetzt jedoch glaubte er das nicht mehr.
Andererseits machten ihm der gepanzerte Bungalow und möglicherweise drei Ermordete Hoffnung, Ponson doch etwas anhängen zu können. Es war zwar keineswegs sicher, dass die drei ermordet worden waren, zweifellos aber waren sie alle verschwunden, und als sich seine schlaflose Nacht immer länger hinzog, begann der Superintendent immer mehr zu glauben und ganz sicher zu hoffen, dass das Schlachthaus zum Selberschlachten für mehr verwendet worden war als nur fürs Kühe- und Schweinetöten. Die Spurensicherung gab zu, dass in dem grauenhaften Schuppen nicht genug menschliches Blut zu finden war, um eine definitive Schlussfolgerung zuzulassen, doch sie war der Ansicht, dass dort durchaus Menschen erwürgt worden sein könnten. Während die Nacht verstrich, wuchs die makabere Hoffnung des Superintendent immer mehr, Ponson dranzukriegen. Wieso zum Beispiel war dort drin niemals ordentlich geschrubbt worden? Warum hatte man das Blut einfach gerinnen und langsam trocknen lassen, so dass es fast so hart war wie der Beton der Böden und Wände? Gewiss wollte Ponson damit doch eine Warnung aussprechen! Seinen Feinden zeigen, wozu er bereit wäre.
Dagegen stand der Nachweis, dass dort kein Mord begangen worden war, bei dem Blutvergießen im Spiel gewesen wäre. Und selbst der Superintendent musste zugeben, dass man sich mit der Behauptung, die Todesursache sei Strangulation gewesen, mehr oder weniger an einen Strohhalm klammerte.
Doch was war mit den Revolverkugeln in dem Bungalow? Konnte Ponson wirklich nur versucht haben, aus dem Haus herauszukommen, wie er sagte?
Einen Augenblick später war der unglückliche Superintendent gezwungenermaßen wieder bei dem Schluss angelangt, dass er es mit nichts anderem zu tun hatte als mit drei Vermissten. Und noch schlimmer, am Ende war er auch noch für die Zerstörung des Bungalows verantwortlich. Obwohl, wenn er nur Horace Wiley finden könnte, dann hätte er vielleicht trotzdem noch eine Chance, befördert zu werden.
Es war fast vier Uhr, als er endlich einschlief, nur zwei Stunden, bevor er aufstehen und sich von Neuem mit diesem ganzen verdammten Albtraum herumschlagen musste.
34
An der Küste südlich von Barcelona verbrachte Horace eine wunderbare Zeit. Das Hotel, das er gefunden hatte, war ausgezeichnet, und er hatte sich ein Zimmer genommen, von dem aus man auf den Strand hinausblickte, der dicht mit Sonnenbadenden besetzt war. Zu Horaces Erstaunen trugen viele Frauen, die am Strand lagen, Badeanzüge, die in einem Ausmaß winzig waren, das er nicht für möglich gehalten hätte.
Mehrere hundert Meter jenseits des Stücks offenen Wasser, wo die Leute schwammen, befand sich eine Reihe Bojen, wo Jachten, Rennboote und einige größere Ruderboote festgemacht hatten.
Horace saß auf dem Balkon vor seinem Zimmer und starrte glückselig hinunter. Mit der Aussicht vom Hotel aus war er vollauf zufrieden: Er wollte nicht selbst auf dem überfüllten Strand in der Sonne liegen, und außerdem konnte er sowieso nicht schwimmen. Hinter ihm waren schwache Geräusche zu vernehmen; das Zimmermädchen saugte Staub und machte das Bett.
Vorhin, beim exzellenten Frühstück im Speisesaal, wo er an einem Tisch am Fenster saß, hatte der Hotelmanager, der gut Englisch sprach, ihn gefragt, ob er eine englische Zeitung wünsche. Horace hatte das bejaht, hatte aber seiner Überraschung Ausdruck verliehen, dass er dergleichen in Spanien bekommen könne.
»In Catalunya, Señor«, erwiderte der Hotelchef freundlich, »bekommen Sie die im Sommer jeden Tag. Im Winter muss man dafür in die Stadt fahren. Da machen wir im Januar einen Monat
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