Lauter Irre
damit fertig, die Kapelle sauber zu machen. Sogar die Grabplatte habe ich poliert«, brummte er. »Da ist eine ganz komische Inschrift drauf. Du errätst nie, was da steht.«
»Der Name von dem Skelett, das da drunterliegt?«
Jeremy schüttelte den Kopf. »Nie im Leben. Niemandes Name. Willst du’s noch mal versuchen?«
Esmond schüttelte den Kopf. »Keinen blassen Schimmer. Was steht denn da?«
»Na schön. Da steht ›Wer mich aus meinem Grabe schreckt, der wird vom Unheil hingestreckt. Wer mich nicht ruhen lässt in Frieden, dem ist im Tod nicht selbiger beschieden. Die Hölle harrt des Fremden Hand. Verlasse eilends mein kostbares Land‹. Grausige Drohungen, findest du nicht?«
»Jedenfalls sehr eigenartig. Warum haben wir das gestern nicht gesehen, als wir mit dem Wagenheber die Platte hochgehoben haben?«, fragte Esmond.
»Weil das Ding seit Gott weiß wie vielen Jahrhunderten nicht mehr sauber gemacht worden ist. Ich hab’s erst gesehen, als ich wieder und wieder mit Metallpolitur da rangegangen bin.«
»Sehr seltsam«, meinte Esmond und dachte nicht länger darüber nach.
Am Abend war Esmond wieder im Haus, in seinem Anzug und den neuen Schuhen. Zu seiner Überraschung stellte Belinda ihm ihre Brautjungfer vor, eine uralte Frau, vermutlich irgendeine frühere Bedienstete oder ein Kindermädchen der Gropes. Myrtle hatte aus ihrem Zimmer ausrichten lassen, dass sie viel zu krank sei, um der Trauung beizuwohnen, und sonst war niemand aus der Verwandtschaft eingeladen worden, sich zu ihnen zu gesellen.
Sie saßen in dem großen Wohnzimmer und plauderten, während sie auf Reverend Horston warteten, der pünktlich um neun Uhr eintraf, obgleich er, genau wie Belinda es vorausgesagt hatte, müde aussah. Er war eindeutig erleichtert, dass keine Gäste da waren.
»Ah, nun ja, da können wir ja gleich mit der Zeremonie beginnen«, sagte er, als sie sich erhoben und, angeführt von dem Bräutigam, über den Hof zu der winzigen Kapelle hinübergingen, wo der alte Samuel unmäßig viele Kerzen angezündet hatte. Draußen ging die Sonne unter, doch die Fenster der Kapelle waren so klein und so prächtig mit Buntglas verglast, dass selbst der übermüdete Geistliche beeindruckt war. Esmond stellte den alten Samuel als seinen Trauzeugen vor, und der Reverend führte die Eheschließung bemerkenswert rasch und ohne irgendwelche peinlichen Fragen durch. Belinda hatte recht gehabt: Er wollte zurück in sein Pfarrhaus und so schnell wie möglich zu Bett gehen. Sie überreichte ihm etliche Hundert Pfund mehr, als er erwartet hatte, und er fuhr als zufriedener Mann davon.
Nachdem er fort war, entkorkte der alte Samuel eine Flasche exzellenten Champagner und brachte einen Trinkspruch auf das glückliche Paar aus, und eine Stunde später strebten Mr. und Mrs. Grope auf ein großes Bett in einem Schlafzimmer am hinteren Ende des Hauses zu, wo man sie, wie sie glaubten, nicht hören konnte. Endlich schliefen sie erschöpft ein.
Es dauerte eine weitere Woche, bis Esmond seinen ganzen Mut zusammennahm und beschloss, dass er, obwohl seine Frau sich allem Anschein nach gut benahm, seinen Plan in die Tat umsetzen musste. Er war gerade dabei, das Gespräch mit Belinda zu proben, wobei nur die Ferkel Zeuge seiner extremen Nervosität wurden, als Jeremy auftauchte und fragte, ob er mit in seine Hütte hinaufkommen könnte.
»Ich habe dir noch gar kein Hochzeitsgeschenk überreicht«, meinte er, als sie dort ankamen.
»Aber das ist doch nicht nötig, wirklich nicht.«
»Oh doch, Joe. Du bist der erste Mensch, der mir wirklich ein Freund gewesen ist, seit ich nach Grope Hall gekommen bin und angefangen habe, statt Jeremy der alte Samuel zu sein.« Einen Moment lang machte er ein trauriges Gesicht, ehe sich seine Miene wieder aufhellte. »Siehst du den Sack da in der Ecke, mit dem ganzen Teer drauf? Das ist mein Geschenk für dich. Los, mach’s auf.«
Esmond zögerte noch immer. »Ich meine es ernst. Du brauchst mir nichts zu schenken. Ich hab doch alles, was ich will. Na ja, ich werde alles haben, was ich will, wenn alles nach Plan läuft.«
»Ich bestehe darauf, Joe, du bist mein bester Freund. Das haben wir mit Handschlag besiegelt, weißt du noch?«
»Ja, das weiß ich noch, und ich werde immer dein Freund sein.«
»Dann schau dir dein Geschenk an, mir zuliebe.«
»Na gut, wenn du darauf bestehst.«
Esmond ging durchs Zimmer, und nach einigen Schwierigkeiten gelang es ihm, den Kupferdraht abzuwickeln, mit dem der Sack
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