Lauter reizende Menschen
es natürlich, sich möglichst eingehend in der ganzen Gegend umzusehen, ohne jemanden merken zu lassen, wer er wirklich ist. Das war ihm ausdrücklich befohlen worden!«
Es dauerte einige Zeit, bis Lucia das eingetretene Schweigen brach. »Ach, wie dumm habe ich mich doch benommen! Natürlich konnte er nicht herumlaufen und allen Leuten aufs Butterbrot schmieren, wer er in Wirklichkeit war! Und warum hätte er ausgerechnet mich ins Vertrauen ziehen sollen?«
»Dennoch wird er, glaube ich, von Herzen froh sein, daß Sie es nun herausgefunden haben! Damit sind also allein Sie und Jim Middleton ins Vertrauen gezogen, sonst niemand!« — »Auch nicht Annabel? Sollte Jim Geheimnisse vor seiner Frau haben?«
»In diesem Fall bleibt ihm nichts anderes übrig«, meinte Wright nachdrücklich. »Unter keinen Umständen darf jemand im Ferienlager die leiseste Ahnung haben... Später natürlich werden es alle erfahren!« Lächelnd schaute er sie an und fuhr nach kurzer Pause fort: »Bedenken Sie doch nur, wieviel Zeit und Mühe er aufwenden, wie viele Kilometer er dem Wild durch den Busch nachpirschen mußte! Soll das alles vertan sein? O nein, Miss Field: Ich bin sicher, daß Jim absolut dichthalten wird.«
Die Aufforderung, daß auch Lucia dies zu tun habe, war nicht zu überhören. Sie verstand. »Also gut!« versprach sie gehorsam. »Sehen Sie mich nur nicht so streng an! Ich schwatze ganz bestimmt nicht!« Ihre Augen schossen solche Blitze, daß der Inspektor fast ein wenig Mitleid mit seinem Untergebenen Ross empfand. »Aber was soll das Ganze?« fuhr Lucia erregt fort. »Was soll all die Geheimniskrämerei? Der Täter kann doch gar kein Einheimischer sein! Hier wohnen nur nette, offene, liebe Leute. Die Inhaber und Gäste des Campingplatzes, die Männer vom Brückenbau — sie sind doch schon richtig heimisch hier geworden, und ich wüßte nicht, wie einer von ihnen auf den Gedanken kommen sollte, den Alten umzubringen. Mord! Es ist völlig unmöglich, einen einzigen von ihnen mit etwas so Entsetzlichem auch nur in Verbindung zu bringen; keiner von ihnen wäre eines Mordes fähig!«
Aufseufzend ergriff Wright seinen Hut.
»Nicht fähig? Das behaupten alle Leute von ihren sämtlichen Freunden und Bekannten. Wie oft habe ich selbst es mitanhören müssen: >Aber es sind doch so nette Leute!< Und doch stellt sich später heraus, daß einer von ihnen der Mörder ist. O ja, Miss Field: Es haben schon die nettesten Leute einen Mord begangen, wenn sie nur genügend gereizt wurden.«
»Aber was hätte denn hier reizen können? Ich kenne gewiß niemanden, der Bert Davis gern gehabt hätte, allgemein wird gesagt, er sei mürrisch und unfreundlich gewesen. Aber deswegen wird doch niemand umgebracht! Nein, ganz bestimmt war es niemand von hier! Es ist verlorene Liebesmüh, wenn Philipp Ross sich in das Vertrauen der Leute einzuschleichen sucht. Viel mehr Aussicht auf Erfolg hätte er, wenn er den Busch durchstreifte: Es kann doch nur ein Fremder gewesen sein, jemand, den Davis von früher kannte.
Und nun hat er sich aus dem Staube gemacht, während Mr. Ross Zigaretten kaufte und Rehe schoß!«
Wright mußte über den Zorn lachen, der aus ihrer Stimme klang. Dieses Mädchen, das so überzeugt davon war, recht zu haben, so zuversichtlich, hitzig und zielbewußt, gefiel ihm. »Armer Philipp!« sagte er. »Bisher scheint er sich ohne großen Erfolg abgemüht zu haben! Nun, Miss Field, hoffentlich behalten Sie recht: Vielleicht war es wirklich jemand aus der Fremde, jemand, der in Bert Davis’ Vergangenheit gehört. Also müssen wir folgendes tun: herausfinden, was es mit dieser Vergangenheit auf sich hat; außerdem aber, was für ein Leben Davis hier geführt hat. Wollen Sie uns dabei helfen? Indem Sie unbedingtes Stillschweigen wahren über den Zweck von Philipp Ross’ Hiersein? Und indem Sie aufmerksam beobachten, ob sich hier irgend etwas Ungewöhnliches abspielt?«
»Aber ich kenne mich doch hier noch kaum aus! Wie könnte mir da auffallen, daß etwas ungewöhnlich ist?«
»Ihnen fällt vielleicht manches nicht auf, gewiß aber Len. Er ist ein aufgeweckter Bursche, steht auf gutem Fuß mit den meisten Anwohnern und kennt sich in ihren Angelegenheiten aus. Deshalb fällt ihm gewiß manches auf.« Er lächelte. »Ross wird sich von nun an etwas zurückhalten müssen, wenn der Junge in der Nähe ist!«
Mit einem freundlichen Gutenacht-Gruß wandte er sich zur Tür; dort aber drehte er sich noch einmal um. »Morgen in
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