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Unberuehrbar

Unberuehrbar

Titel: Unberuehrbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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Auftakt: Tiefer Fall
    Vertrauen ist wie dünnes Glas.
    Irreparabel.
     
    Babel Tower Shopping Center, Kenneth, Missouri
     
    Sie trafen sich um Mitternacht unter einem frostig kalten Winterhimmel. Ihr Treffpunkt war das Dach des Einkaufszentrums, wie schon so viele Male zuvor.
    Diesmal jedoch waren sie nur zu zweit – wenn man davon absah, dass Tony ein bewusstloses Mädchen auf seinen Armen trug.
    Hannah beobachtete ihn aus schmalen Augen, als er näher kam. Der riesige Vampir schwankte im eisigen Wind, als sei das Fliegengewicht zu schwer für ihn.
    »Ich bring ihn um.« Tonys Stimme klang hohl wie der Kessel einer alten Dampflok. Er drückte das Mädchen fest an seine Brust. Auf seinem zerfetzten Hemd waren Blutflecken zu sehen. Noch hellrot und feucht. »Er wird dafür bezahlen.«
    Nein, das würde er nicht, dachte Hannah und spürte einen dicken Kloß in ihrer Kehle. Kris hatte vorgesorgt. Er hatte Tony mit progressivem Blut infiziert. Wie auch immer dieser Vampir es geschafft hatte, so lange bei Verstand zu bleiben – ewig konnte es nicht mehr dauern.
    Hannahs Hände begannen zu zittern, als sie nach ihrem Revolver griff – vorsichtig, um Tony nicht misstrauisch zu machen. »Hat er Sarah auch erwischt?«
    Der große Vampir legte das Mädchen behutsam auf den Boden. Dann schüttelte er grimmig den Kopf. Den Speicheltropfen, der dabei über sein Kinn rann, schien er gar nicht zu bemerken.»Sie kommt durch. Ich gebe sie nicht auf. Zusammen kriegen wir ihn.«
    Hannah atmete tief durch.
Mach ihn unschädlich oder bring dich in Sicherheit,
hatte Kris gesagt.
Aber was auch immer du tust – bitte, pass auf dich auf.
    »Tut mir leid, Tony.«
    Das Krachen des Schusses wurde vom Lärm der nächtlichen Stadt und dem Heulen des Windes geschluckt. Aus großen Augen starrte Tony sie an, bevor er fiel.
    Noch zweimal drückte Hannah ab. Dann erbebte der Boden unter dem Aufprall des massigen Körpers.
    Hals.
    Augen.
    Herz.
    In dieser Reihenfolge. So hatte er es ihr beigebracht.
    Sekundenlang sah Hannah stumm auf ihren alten Freund hinunter. Eine kalte Hand presste ihr Herz schmerzhaft zusammen. Schließlich aber wuchtete sie den schlaffen Körper entschlossen auf ihre Schultern. Nur Augenblicke später durchtränkte das giftige Blut ihre Kleidung. Hannahs Augen brannten, doch sie blinzelte die Tränen weg. Der Weg in die Dirty Feet war nicht weit. Sie konnte es schaffen, bevor der noch zur Hälfte konservative Körper sich heilte.
    Sie konnte Tony sowieso nicht mehr retten.
    Mit einem letzten tiefen Atemzug biss sie die Zähne zusammen und machte sich auf den Weg.
    Pass auf dich auf. Du bist vielleicht bald mein einziges Tor zur Welt.

ERSTER TEIL: FREI
    Lüge und Wahrheit sind eineiige Zwillinge:
    Sie unterscheiden sich nur durch vergängliche
    Äußerlichkeiten.

Kapitel Eins
    Forschungsstation White Chapel, Kenneth, Missouri
     
    Sie wusste nicht, was sie geweckt hatte – der Windzug oder die Dunkelheit. Zusammengekrümmt lag Frei auf dem kalten Fußboden, lauschte ihrem eigenen langsamen Atem und dem schwerfälligen Schlag ihres Herzens. Noch mehr kühle Luft drang in den Raum und ließ sie frösteln. Das Fenster war offen. Das Fenster war immer offen.
    Gänsehaut überzog ihre Arme und Beine, als sie sich auf Hände und Knie mühte und die Zugluft unter ihr dünnes Hemd fuhr. Jeder Zentimeter, den sie sich erzwang, brannte in ihren Muskeln, knirschte in ihren Gelenken. Und trotzdem kroch sie voran. Wie sie jede Nacht vorankroch, bis sie endlich das Fensterbrett erreichte und sich daran emporzog. Bis ihr Oberkörper auf dem noch sonnenwarmen Holz lag und sie mit lechzenden Augen den letzten roten Schimmer am Horizont in sich aufsog.
    Rot.
    Die einzige Farbe, an die sie sich erinnern konnte.
    Doch das Licht verschwand viel zu schnell. Weit unter ihr verschwammen die Gebäude der Stadt zu schwarzen Schemen, auf denen schließlich nur noch silbrig weiß der Mondschein lag.
    Tote Augen sehen nichts.
    Zitternd umklammerten ihre Finger die Gitterstäbe vor dem Fenster. Sie würden kommen. Sie kamen immer, um sie zu holen. Trauer. Einsamkeit. Angst. Irrsinn. Und Schmerz. EineGewissheit, die keinen Trost versprach. Und dennoch die Einzige, die sie hatte.
    Als die Tür zu ihrer Zelle sich öffnete, drehte Frei sich nicht um. Sie wusste, wer dort über die Schwelle trat. Es gab seit Monaten nur einen einzigen Vampir, der sie je in ihrem Gefängnis besuchen kam.
    »Cedric«, murmelte Frei und starrte auf die glitzernden Lichter,

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