Lauter reizende Menschen
dachte Lucia mit spöttischem Lächeln, bestimmt gelang es Philipp Ross nicht, unter ihnen den Mörder zu finden.
Wie wird er ihr künftig gegenübertreten, wenn ihm Wright mitgeteilt haben wird, daß sie hinter sein Geheimnis gekommen war? Das gelegentliche Einkaufen von Zigaretten würde nun wohl unterbleiben, ebenso das Necken — und vermutlich sogar der freundschaftliche Ton. Lucia stieß einen kleinen Seufzer aus, und Rosie, die der Herrin den spontanen Ausbruch schlechter Laune keineswegs nachtrug, erwiderte das Seufzen und vergrub die feuchte Schnauze in Lucias Hand.
Morgen abend würde Lucia erfahren, wie Ross auf die Entdeckung reagierte, denn für morgen abend war sie ins Ferienlager eingeladen. Annabel hatte reichlich geheimnisvoll getan: Offenbar sollte irgend etwas gefeiert werden, und Annabel hatte Lucia gedrängt, sie müsse unbedingt dabei sein. Da das Lager augenblicklich nicht belegt war, hatten George und Nigel das strenge Alkoholverbot aufgehoben, und so würde es bestimmt lustig werden — das jedenfalls hatte Jim ihr versichert. Die beiden Inhaber des Campingplatzes wollten kommen, Jim selbst, Lucia, >und natürlich Philipp Ross!< hatte Jim hinzugefügt.
Nun, knurrte Lucia trotzig in sich hinein, es würde interessant werden zu beobachten, wie der entlarvte Kriminalbeamte sich benahm, wenn er ihr nun wieder gegenübertrat! Diesmal würde sie an der Reihe sein, ihn in Verlegenheit zu setzen!
ACHTES KAPITEL
Am folgenden Morgen rief Annabel an: Lucia habe doch wohl recht verstanden, daß auch Len herzlich eingeladen sei? »Sagen Sie ihm, er müsse unbedingt kommen; ohne ihn würde etwas fehlen.«
Len freute sich von Herzen. »Mrs. Middleton ist einfach großartig! Am liebsten würde ich ihr ja einen >hangi< machen. Das wäre gerade das richtige, und sicherlich wären alle Gäste begeistert. Aber... na, am besten lasse ich es doch lieber bleiben!«
So wehmütig klangen die letzten Worte, daß Lucia teilnahmsvoll fragte, ob er wirklich wisse, wie man einen >hangi< zubereite. »Immer wieder finde ich es unvorstellbar, daß Sie Halbmaori sind und die Bräuche Ihrer Vorfahren kennen. Das liegt wohl daran, daß ich Sie noch nie mit einem Angehörigen des Volkes Ihrer Mutter beisammen gesehen habe.«
»Die wohnen alle oben im Norden! O ja, ich kenne mich aus in den Sitten und Gebräuchen der Maori, in ihren Sagen und Märchen - aber persönlich kümmere ich mich augenblicklich nicht darum. Seit ich unter Pakehas lebe, halte ich mich an deren Gewohnheiten. Aber ich habe schon manches >hangi<-Fest mitgemacht, obwohl ich nur ein einziges Mal versucht habe, selbst einen zuzubereiten... Hm, als gelungen läßt sich dieser Versuch gewiß nicht bezeichnen, Luce. Es war noch, bevor ich mit Peter meine Heimat verließ; der >hangi< war für meinen alten Großvater bestimmt. Er war uralt — so alt, daß niemand wußte, wie alt; aber er behauptete zuweilen, es seien hundert Jahre, was sicherlich leicht übertrieben war. Er besaß viel Geld, und ich hätte ums Leben gern ein Motorrad gehabt. Da überlegte ich mir, daß er, falls ich ihm zum Geburtstag einen guten >hangi< zubereitete, mir bei der Finanzierung des Rades helfen würde.« Er verzog das Gesicht. »Aber ganz nach Wunsch klappte es nicht!«
»Wieso? Wie kam denn das?«
»Na, ich gab mir also gewaltige Mühe, besorgte Schweinefleisch und süße Kartoffeln, Weizen und etwas Fisch, den ich fing, obwohl gar keine Fangzeit war — nur, um dem Alten eine Freude zu machen.«
»Und freute er sich nicht?«
»Nein! Er wurde krank davon! Ach, Luce, es war schrecklich traurig! Ich baute den offenen Herd, erhitzte die Steine, legte Blätter hin, bettete darauf das Gericht und schloß dann den Ofen ganz so, wie die Maori es tun. Nur eines hatte ich nicht gelernt: Wie lange das Gericht backen muß! Ich hatte ja Erfahrungen nur mit dem Elektroherd meines Herrn, und da geht es natürlich ganz schnell. So kam es, daß alles nur halb gar war, als ich den Herd aufmachte. Das Schweinefleisch war gerade angebraten, und die >kumara< noch recht hart. Mutter schlug vor, es nicht gleich zu essen, sondern es erst in den Küchenherd zu stellen. Aber damit war Großvater gar nicht einverstandener erklärte, der Pakeha-Ofen könne das gute Maori-Gericht nur verderben, und so mußten wir uns alle hinsetzen und es verzehren.« — »Halbgares Schweinefleisch? Ungeheuerlich!«
»Ungeheuerlich ist der richtige Ausdruck, Luce! Wir aßen nur wenig, und uns allen war
Weitere Kostenlose Bücher