Lauter reizende Menschen
kleine Behausung aufgeräumt hatte, ging sie hinaus, um die nahe Umgebung in Augenschein zu nehmen. Was sie sah, war ja ihr eigenes Anwesen! machte sie sich in freudig überraschtem Erschauern klar. Sie brauchte es nur anzunehmen! Im Alter von erst dreiundzwanzig Jahren war sie unversehens Inhaberin eines gutgehenden Betriebes geworden! Der Gedanke gefiel ihr, und er verhalf ihr zu neuem Selbstbewußtsein, das seit der Affäre mit Wayne Norton doch ziemlich angekratzt war.
Lucia spürte, wie die Frische des sonnig kühlen Morgens ihr den letzten Rest von Müdigkeit verscheuchte, und fröhlich lachend winkte sie der Vergangenheit einen letzten Abschiedsgruß zu. >Auf Nimmerwiedersehen!< gelobte sie, während sie zur Pforte schritt. >Ab heute bin ich Geschäftsfrau — ohne Liebeskummer!<
Tatsächlich sah sie recht geschäftstüchtig aus, wie sie so in tadellos geschnittenen Slacks und makellos weißem Kittel ihrem neuen Posten zustrebte — ein hochgewachsenes, schlankes Mädchen mit dunklem Haar, grauen Augen unter schwarzen Wimpern, wohlgestaltet und olivhäutig. Len, der soeben neben der Pumpe einen Blick in die Turfzeitschrift warf, hob die Augen und lächelte der Näherkommenden einen freundlichen Willkommensgruß zu. Dann stand er auf, und einen Augenblick lang betrachteten sich die beiden wohlgefällig, freundlich und doch ganz ernsthaft. >Alles hängt davon ab, wie ich mit ihm auskomme!< dachte Lucia. Onkel Peter hat geschrieben, er sei die Seele des Geschäftes, und er sei absolut zuverlässig und ehrlich. Wie aber wird er sich verhalten, wenn nun eine Frau als Inhaberin auftritt?
Beim Blick aber in diese rückhaltlos offenen Augen, aus denen entwaffnende Freundlichkeit strahlte, erkannte Lucia voller Zuversicht: Onkel Peter hatte recht, als er schrieb, Len sei ein wahres Gottesgeschenk in einer Zeit, in der niemand mehr seine Arbeit ernst nähme. Ganz bestimmt konnte man diesem netten Jungen bedenkenlos vertrauen. Hoffentlich war er auch mit ihr, Lucia, einverstanden …
Len hing seinen eigenen Gedanken nach: >Sie macht einen ganz ordentlichen Eindruck. Nicht wie eine, die sich gleich aufspielt und meckert, wenn man mal einen Blick in den ,Toto-Tip’ wirft, während der Dienstzeit eine Rennwette erörtert und in aller Morgenfrühe zur Stallung hinauffährt, um Jim beim Versorgen der Pferde zu helfen. Kameradschaftlich, möchte ich sagen; sie dürfte Verständnis dafür haben, daß man hier in der Einsamkeit etwas Zeitvertreib braucht. Außerdem sieht sie verdammt gut aus, wenn auch auf gedämpfte Weise. Nicht auffallend, nicht so schön wie Frau Middleton, aber doch so, daß jeder sie gern ein bißchen ansieht.<
Rosie, die würdevoll neben Lucia hergetrottet war, drängte sich schmeichelnd an Len. »Sie ist anscheinend ganz einverstanden mit der neuen Chefin«, meinte der Tankwart. »Zum erstenmal hat sie heute nacht nicht nach Peter gejault.«
»Richtig. Gleich nach dem Erdbeben hat sie sich hingelegt und fest geschlafen. Allerdings fürchte ich, daß sie in mir so eine Art Bratkartoffelverhältnis sieht. Finden Sie nicht auch, daß sie ganz schrecklich gefräßig ist? Während ich frühstückte, hat sie mir keine Ruhe gelassen, bis ich ihr sämtliche Reste gegeben habe. Ihrem traurigen Gesicht konnte ich einfach nicht widerstehen.«
Len lachte. »Rosie verträgt wirklich mehr als jeder andere Hund! Aber auch ganz abgesehen davon hat sie Sie gern!«
Lucia gab sich Mühe, sich nichts darauf einzubilden; dennoch verriet sie ihre Dankbarkeit, indem sie Rosie wie beiläufig liebevoll über den Kopf strich. Sie selbst hatte noch nie einen Hund besessen, deshalb ging ihr Rosies spontane Zuneigung um so mehr zu Herzen. Lächelnd schaute sie auf das Heft, in dem Len gelesen hatte.
»Ist das Ihre Bibel, Len? Onkel Peter hat mir berichtet, wie sehr Sie für Pferde schwärmen. Das macht auch bestimmt Spaß!«
Nun war der letzte Zweifel beseitigt: Die neue Chefin war große Klasse! »Das kann man wohl sagen, Miss Field. Ich habe Pferde gern, und ganz hier in der Nähe gibt es ja neuerdings sogar eine Stallung. Der Verwalter ist ein feiner Kerl. Manchmal fahre ich schon in aller Frühe hinauf und helfe ihm ein bißchen beim Versorgen und Reiten. Dagegen haben Sie doch nichts...?«
»Auf keinen Fall! Ich kann mir vorstellen, wieviel Spaß es Ihnen macht. Sie fühlen sich auch sonst nicht allein hier, wie, Len?«
»Nein. Ich finde es großartig. Es kommen ja dauernd Leute zum Tanken, vom Lagerplatz und vom
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