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Lauter reizende Menschen

Lauter reizende Menschen

Titel: Lauter reizende Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott - Joyce West
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wolle er die Mauer eintreten. Das gedämpftere Licht der Laterne regte ihn nicht auf.
    Die Pferde hörten seinen Schritt. Es knisterte und stampfte in den Boxen, >Goldweide< wieherte leise, alles deutete darauf hin, daß die Tiere zwar wach, aber nicht unruhig waren, weil sie den Schritt genau erkannten. Leise vor sich hin sprechend öffnete Jim die Tür zur Box des großen Hengstes. »Na, >Räuber    Sanft legte er dem Tier die Hand auf den schwarzen Hals und streichelte ihn liebevoll. Das Pferd wandte den Kopf, und im dämmerigen Laternenschein erkannte Jim, daß die Augen überrascht, aber keineswegs furchtsam blickten. Warum sollte nicht alles in Ordnung sein? schienen sie zu fragen. Jim lächelte im Finstern über seine dummen Sorgen, klopfte dem Hengst noch einmal den Hals und ging mit ruhigem Schritt weiter.
    Bedächtig machte er die Runde von Box zu Box. Alles war friedlich, vollkommen in Ordnung. Was hatte er sich nur für Unsinn eingeredet? Trotzdem: Wenn man nervös und unruhig war, dann gab es nichts Tröstlicheres als das Gefühl, von einem Pferd verstanden zu werden und sein Vertrauen zu haben. Jim kehrte zum Häuschen zurück, aß sein vernachlässigtes Steak und griff dann nach einem Buch.
     
    Als Lucia am folgenden Morgen aufstand, war an der Tankstelle alles ganz wie immer, und auch Len lachte nur, als sie sich nach seinem Befinden erkundigte.
    »Alles ist wieder gut, Luce!« erklärte er. »Es tut überhaupt nicht mehr weh. Und gehört habe ich auch die ganze Nacht über nichts — außer der alten Dame. Sie schnarcht wirklich mit bemerkenswerter Lautstärke. Jedenfalls passiert nun bestimmt nichts mehr, passen Sie nur auf!«
    Mit keiner Silbe erwähnte er seine Unterhaltung mit Ross vom vergangenen Tage. Es stimmte schon: Er verstand sich darauf, mit entwaffnender Offenheit über Dinge zu schwatzen, die keinerlei Bedeutung hatten.
    Plötzlich aber wurde die harmonische Morgenstille zerrissen. Von der Tür des Hauses her schallte eine piepsige, grelle Stimme. »Miss Field! Miss Field! Sehen Sie, da bin ich wieder!«
    Lucia unterdrückte ein Stöhnen. Carmen — wenn auch glücklicherweise ohne Spaten! Strahlend schien sie die ganze Welt umarmen zu wollen, und in beredten Worten gab sie immer erneut der Freude Ausdruck, die der Besuch der berühmten Schriftstellerin ihr bereitet habe. »Wie unsagbar herrlich, eine geistesverwandte Seele, ebenfalls Künstlerin, zu treffen, Miss Field. Ist es vermessen von mir, den Vorschlag zu wagen, sie möchte noch einmal kommen — Sie alle miteinander? Ach, liebste Miss Field, mein Dasein ist so einsam, und nur selten komme ich in Berührung mit einem kongenialen Geist! Darf ich deshalb der Hoffnung Ausdruck geben, daß Sie Mrs. Wharton noch einmal zu mir bringen, zusammen natürlich mit ihrer lieben Tochter und den reizenden Enkelchen? Würden Sie heute nachmittag zum Tee kommen?«
    Lucia zauderte, aber bald gab sie sich geschlagen. Die flötende Stimme hatte etwas Rührendes an sich, ebenso wie das schüchterne, verzagte, hoffende Gesicht. Langsam brachte Lucia hervor: »Es ist ungemein liebenswürdig von Ihnen, Miss Mills, aber... Ja, wir wollen Mrs. Middleton fragen. Vielleicht hat sie schon etwas anderes vor.«
    Sie hoffte, sich darauf verlassen zu dürfen, daß dies der Fall sei. Aber weit gefehlt! Erstaunlicherweise stimmte Annabel sofort zu. »Bestimmt ist Mutter sehr erfreut darüber!« erklärte sie, während Lucia vor Verblüffung die Augen weit aufriß. »Das Schlimme ist nur, Miss Mills, daß ich tatsächlich die Kinder mitbringen muß, und ich muß gestehen, daß sie nicht sehr artig sind — zumindest nicht James!«
    »Reizend, reizend!« schwärmte Carmen. »Ach, die allerliebsten Kleinen! Wie froh werden sie sein, in meinem Garten spielen zu dürfen und sich Geschichten von meinen kleinen Zwergen und Gnomen auszudenken.«
    >Mit noch größerer Freude werden sie sie kaputtmachen<, dachte Lucia grimmig. Nachdem Carmen, noch immer schnurrend vor Freude über die Zusage, um halb vier zum Tee zu kommen, endlich verschwunden war, fiel Lucia buchstäblich über ihre Freundin her.
    »Wie konntest du das tun? Als hätte der gestrige Besuch noch nicht genügt! Paß auf: Deine Mutter wird toben! Und vermutlich muß sie noch ein zweites Bild abkaufen!«
    »Bestimmt nicht! Wie ich Mutter kenne, läßt sie diesmal ihr Portemonnaie zu Haus! Ich kann mir vorstellen, wie gräßlich es sein wird — aber

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