Das Interview
Mo Beck
Das Interview
E-Book
Alle Rechte vorbehalten
© Simon Rhys Beck
dead soft verlag, Mettingen, 2011
Bild: Raisa Kanareva – fotolia.com
Orte und Personen sind frei erfunden.
Corinne McFaden betrachtete sich im Spiegel, während sie die
Lederkorsage mit dem Reißverschluss über ihren nur etwas zu
kleinen Brüsten schloss. Das Material war weich und angenehm
zu tragen, aber es schob ihren Busen ein wenig nach oben und
sorgte dafür, dass ihre Taille mädchenhaft zusammengeschnürt
wurde. Corinne hatte eine gute Figur, aber es konnte nicht
schaden, wenn man etwas nachhalf. Außerdem trug sie oft und
gern Leder. Sie war durch und durch dominant und gewöhnt,
auch mal eine härtere Gangart einzuschlagen. Bisher nur im
sexuellen Bereich, doch sie hatte vor, auch beruflich voll
durchzustarten. Mit allen Mitteln. Dieses Interview würde ihr Tür
und Tor öffnen. Das Interview ihres Lebens, dachte sie lächelnd.
Und
der
Start
zu
ihrer
Karriere
als
skrupellose
Enthüllungsjournalistin.
Es war schwierig genug gewesen, diesen Termin zu ergattern.
Nun durfte sie sich keinen Fehler erlauben. Mit geübten Fingern
klemmte sie die Strümpfe an die Halter ihrer Korsage und zog
darüber eine schlichte schwarze Bluse und einen kurzen Rock.
Das war seriös genug. Sie war schließlich keine zwanzig mehr und
auch
kein
Groupie.
Dafür
aber
wild
entschlossen,
herauszubekommen, ob Jayden Edward auf Männer stand und
was dran war an den Gerüchten, er würde nur mit seinem Bruder
ins Bett gehen.
Jayden Edward war der Frontmann der bekannten Band The
Scars. Er war 22 Jahre alt, hatte eine fantastische Stimme und war
berüchtigt für seine exzentrischen Outfits. Darüber hinaus war er
so androgyn, dass die Presse von Anfang an behauptet hatte, er
sei schwul. Jayden selbst hatte sich nie dazu geäußert. Nie
drangen irgendwelche Bettgeschichten an die Öffentlichkeit und
mittlerweile behaupteten sogar einige, Jayden habe gar keine
Sexualität, sei wahrscheinlich sogar noch Jungfrau.
Sein Bruder Lion, Drummer von The Scars, war häufiger in den
Schlagzeilen. Mal verwüstete er Hotelzimmer, dann wurde er mit
Drogen erwischt oder lud Groupies zu Sexorgien ein. Er war ein
Draufgänger in jeder Hinsicht, und es war ihm offensichtlich egal,
was andere von ihm dachten. Dabei war er seinem kleinen Bruder
optisch so ähnlich, dass man sie fast für Zwillinge hätte halten
können.
Corinne hatte sich bestens informiert. Wenn sie das Geheimnis
lüften konnte, was Jayden umgab, dann würde sie den
Durchbruch schaffen. Das stand fest.
Sie schlüpfte in ihre schwarzen High Heels mit den Endlos-
Absätzen. Da sie fast ausschließlich solche Schuhe trug, konnte
sie darauf genauso gut laufen wie ein Supermodel.
Sie warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Ihr Make-
up war perfekt, einen Tick dunkler, als sie es sonst trug, der
Lippenstift so dunkelrot, dass er fast schwarz wirkte. Die
kastanienbraunen Haare mit dem leichten Rotstich trug sie offen,
weil sie dadurch jünger wirkte.
Zielsicher steuerte sie ihren kleinen schwarzen Mazda in die letzte
freie Parklücke vor dem Hotel. Natürlich wohnten die Edward-
Brüder im teuersten Hotel der Stadt. Corinne wusste, dass sie
ohne ihren Presseausweis und die Einladung keine Chance gehabt
hätte, bis zu den beiden vorzudringen.
Langsam und mit eleganten Schritten ging sie durch die luxuriöse
Lobby und meldete sich an. Nur wenige Minuten später wurde sie
von zwei bulligen Leibwächtern abgeholt und nach oben geleitet.
Nun wurde ihr doch ein bisschen mulmig zumute. Was, wenn sie
nicht die richtigen Fragen stellte? Sie hatte nur diese einzige
Chance! Ein langweiliges Interview, eine 08/15 Reportage –
daran war ihr Chef nicht interessiert. Sie musste mehr bringen.
Ihr Herz schlug schneller, als die Tür geöffnet wurde und einer
der Leibwächter brummte: „Wollen Sie nicht reingehen?“
Corinne straffte sich und setzte ein geübtes Lächeln auf. „Doch,
natürlich.“
Am Fenster stand Jayden Edward, sie erkannte ihn von hinten an
seinen halb langen schwarzen Haaren. Er trug ein spaciges
Lackoutfit, das seine schmale Figur noch zarter wirken ließ. Er
drehte sich sofort um und lächelte sie freundlich an.
„Hallo, Mrs ...“
„McFaden, Corinne McFaden“, half Corinne ihm. Sie ging auf
ihn zu und gab ihm die Hand. Sein Händedruck war warm und
fest, aber nicht männlich.
„Es tut mir leid, Lion ist
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