Lauter reizende Menschen
zusammengetroffen sind.«
Er lachte sie an, und zu ihrer eigenen Überraschung freute sie sich darüber. Sogleich aber rief sie sich zur Ordnung. Mit einem solchen Manne flirtete man doch nicht leichthin! Unter der Tünche fröhlicher Unbekümmertheit blitzte immer wieder ein stählerner Panzer durch, der ihr unbehaglich war. Ganz ernst erwiderte sie: »Nein, Davis’ Namen habe ich zum erstenmal am Morgen nach seiner Ermordung gehört!« Dann aber konnte sie nicht länger an sich halten: »Warum aber sollten Sie mir das glauben? Vermutlich tun Sie es auch gar nicht.«
»Leider muß ich Sie enttäuschen: Ich glaube Ihnen.«
»Wenn Sie es aber nicht täten, dann hätten Sie ebenso herumgeschnüffelt, mich beobachtet, still alles mit angehört — genau das also, was Sie heute vormittag wirklich getan haben. Warum übrigens haben Sie sich so für die Geschichte mit Michael Kelly und seiner Frau interessiert? Halten Sie eine Scheidung für so furchtbar?«
»Keineswegs. Scheidungen sind so alltäglich, daß sie geradezu langweilig wirken.«
Sie merkte deutlich, daß er ihr auswich, und ohne Ursache entfuhr ihr:
»Warum müssen Sie uns allen alle Freude verderben? Ich bin hergekommen, um froh zu sein, um zu vergessen — um allerlei Ärgerliches, Schlimmes zu vergessen.«
»Und Sie tapsen mitten in einen Mordfall hinein! So ein Pech! Übrigens: was für Schlimmes wollten Sie denn vergessen... War er wirklich so schlimm?«
Sie hätte sich selbst ohrfeigen mögen, aber sie konnte es nicht verhindern, daß sie rot wurde. »Wie abscheulich Sie doch sein können! Meine Vergangenheit geht Sie nun wirklich nichts an!«
»Sie haben also kein Strafregister? Nun, sogar ein Kriminalschnüffler darf private Neigungen verraten. Allerdings ist jetzt wohl nicht Zeit und Ort, darüber zu reden. Ich muß telefonieren.«
»Wir haben einen Apparat hier. Wenn Sie es eilig haben, dürfen Sie ihn benutzen.«
»Sie haben doch einen Sammelanschluß! Und Polizisten pflegen ihr Herz über solche Gemeinschaftsleistungen nicht auszuschütten. Deshalb muß ich zum Postamt.«
»Und telefonisch anfragen, ob die arme kleine Frau Kelly gültig verheiratet ist? Finden Sie das nicht ausgesprochen albern? Was macht es denn schon aus, ob Moll Kelly verheiratet ist oder nicht? Warum lassen Sie sie nicht in Frieden? Warum lassen Sie den Leuten nicht ihr kleines Glück?«
»Ja, warum nicht? Finden Sie einen Mann, der mit zwei Frauen verheiratet ist, etwa nicht widerlich?«
»Nicht halb so widerlich wie einen, der immerzu die Leute aushorcht, in Geheimnisse eindringt und Unfrieden stiftet.«
Wieder glaubte sie seinen Panzer durchbohrt zu haben, aber auch diesen Pfeil schüttelte er ab. »Jeder hat eben seine Aufgabe! Und im Augenblick habe ich die Aufgabe, einem Mörder nachzuspüren. Vielen Dank, daß Sie mein Geheimnis gewahrt haben. Leider muß ich Sie bitten, es auch weiterhin zu tun.«
Sie schämte sich ihrer Unvernunft. Er ging ja wirklich nur seinem Beruf nach! Tapfer unternahm sie den Versuch, ihm aufrichtig ihr Mitgefühl auszudrücken; er erfülle ja nur seine Pflicht, die ihm selbst gewiß widerlich sei. Aber er schnitt ihr kurz das Wort ab. »Es ist nett von Ihnen, daß Sie das sagen. Aber bestimmt hätte ich diesen Beruf nicht ergriffen, wenn ich nicht mit ihm zufrieden wäre.«
»Zufrieden? Aber verlangt er nicht immer wieder Fürchterliches von Ihnen?«
»Ich bin mit meinem Beruf zufrieden, weil ich an die Gerechtigkeit glaube, Miss Field! Guten Morgen — und vielen Dank für den Kaffee, und für Lens Waffeln!« Dann war er fort, und sie schaute ein wenig nachdenklich und völlig verwirrt ins Leere.
>Du bist eben eine sentimentale Gans, mein Kind!< schalt sie sich selbst. >Vor drei Monaten noch war dir die ganze Welt untergegangen, weil Wayne Norton dich verlassen hatte. Vor zehn Tagen machte der hübsche Nigel gleich beim ersten Zusammentreffen reichlich starken Eindruck auf dich... Ich finde, du bist noch gar nicht gefestigt genug, um allein auf weiter Flur zu stehen — schon gar nicht als Besitzerin einer Tankstelle.<
In diesem Augenblick wurde sie von Len unterbrochen, der fröhlich aus der Werkstatt herüberrief: »Wie war es denn, Luce? Meine Waffeln waren doch prima, wie? Ich wette, die alte Dame hat sich üppig bedient. Leider hat sich übrigens Rosie doch den Magen verdorben! Ihr Kuchen war auch nicht viel besser als mein >hangi<, möchte ich behaupten!«
ZEHNTES KAPITEL
Am frühen Nachmittag des folgenden
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