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Lautlos wandert der Schatten

Lautlos wandert der Schatten

Titel: Lautlos wandert der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Breitenbach
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die
Stadt selber aus. Ungepflegte Gassen, Ruinengrundstücke. Unrat überall. Es wird
Zeit, daß sich die Bürger der Stadt des Weges bewußt werden, der mitten durch
ihre Ansiedlung geht. Dazu paßt, daß uns die Benediktinerinnen nicht auf nehmen
wollten, obwohl in ihrer ausgedehnten Klosteranlage noch Platz für uns gewesen
wäre. So suchen wir uns eine bescheidene Fonda für diese Nacht.

17
    Der Tod ist uns so nahe,
    daß sein Schatten
    immer auf uns fällt

W enn
je eine Etappe die Weite des Jakobusweges deutlich machen kann, wenn es
überhaupt noch eine Steigerung gibt, dann sind es diese gut dreißig Kilometer
durch die Hochebene bis kurz vor León. Dürre und abweisende Landschaft, soweit
das Auge reicht. Jeder Schritt hinterläßt im Wind eine kleine Staubfahne;
schnell sind wir eingepudert und der Schweiß zieht seine dunkelbraunen Spuren
in unser Gesicht. Niemand, der unseren Weg teilt; keiner, der ihn beobachtet.
Eine fast aufdringlich laute Stille nimmt uns gefangen. Klingende Ortsnamen
für winzige ausgedörrte Siedlungen: Bercianos del Real Camino, Calzadilla de
los Hermanos, Reliegos... Wieder
sind wir ganz allein; jeder für sich. Ein einzelner Baum, weit weg am Horizont,
hält unser Auge für Stunden fest.
     
    Eiche von Villamarco
     
    Ein
Punkt, ein Zeichen
    in
flirrender Glut.
    Wo
Himmel und Erde sich treffen
    die
Eiche von Villamarco.
    Stunden
des Wegs
    bis
sich der Stamm
    zu
erkennen gibt, die Äste,
    die
Zweige, die Blätter.
    Die
Straßen haben sich
    längst
gefunden,
    uralte
Wege aus der Ferne,
    Zweige
und Äste der Völker
    sich
vereint zu einem Stamm,
    zum
Camino, zur Ruta Jacobea.
     
    Seit
Wochen hatte es hier nicht mehr geregnet. Wir profitieren zwar von dem sonnigen
Wetter seit dem ersten Tag; die kleinen Flüsse, Bäche, Weiher und Brunnen sind
brottrocken. Kein Mensch begegnet uns in diesen sieben Stunden. Endlich ein
Schäfer, der uns mit seiner dürstenden Herde auf der Suche nach einem
Wasserloch entgegenkommt. Auch er bleibt sprachlos, spricht seinen Gruß durch
ein Nicken. Ultreya. Die Trockenheit macht stumm, der feine Staub hat sich auf
die Stimmbänder gelegt, die Hitze lähmt die Gedanken. Wir gehen und wissen
eigentlich nicht wie. Wir kommen voran, doch die Hochebene nimmt kein Ende.
Immer nur gehen. Endlich in Reliegos; verstaubt wie die Landschaft ist der
ganze Ort. Wir erwarten uns kein Wunder mehr und werden doch in einer kleinen
Bar sehr gastlich empfangen. Wieder einmal ist Sonntag; es gibt für uns
Tomaten, Erdnüsse und Langusten. Die Wirtsfamilie läßt sich durch uns nicht
stören und setzt sich neben uns an den Mittagstisch. Der Fernseher dröhnt; wir
sehen verständnislos auf die flimmernde Scheibe, auf der ein amerikanischer
Krimi sich in spanischer Sprache sehr seltsam ausnimmt.
     
    Wir
nähern uns León, nachdem wir in Mansilla de las Mulas, eine Stadt ohne Wasser
bis in die späten Abendstunden, übernachtet hatten. Wieder mußten wir uns durch
die Vorstadtviertel mit den gesichtslosen Wohnblocks kämpfen. Dann endlich sind
wir in der geschichtsträchtigen Altstadt. Wie eine Zwiebel falten wir sie auf,
die Straßen, die alten Herrenhäuser, die Paläste. Die gotische Kathedrale wirkt
französisch und steht auf drei Seiten völlig frei, so daß sie eindrucksvoll auf
uns wirken kann. Dann interessieren uns die romanischen Portale von San Isidor;
sie erinnern an die Glanzzeit der Pilgerplastik in Spanien. Nahe am Fluß
Bernesga steht das riesige Hospiz San Marcos der Santiagoritter aus dem Jahre
1513. Es wurde erst gegen Ende der großen Pilgerbewegung fertig und übertrifft
mit seiner Größe und seiner Pracht alle noch bestehenden Pilgerunterkünfte. Das
Hotel jetzt ist für einfache Pilger unbezahlbar.
     
    Es
ist noch Sonntag. Aber davon ist in Spanien nicht viel zu spüren. Wie an einem
Arbeitstag fahren Traktoren und schwere Lastkraftwagen. Auf den Feldern wird
gearbeitet. Viele Geschäfte halten offen. Nachdem das spanische Nachtleben,
zumal in der Sommerzeit, bis in den Sonntagmorgen geht, feiert der fromme
Spanier den Gottesdienst sehr spät. Die Messen beginnen um die Mittagszeit oder
noch später. Gegen 15 Uhr gibt es dann Mittagessen, zum Abendessen gehen die
Spanier nicht vor 22 Uhr; zu dieser Zeit möchten wir Pilgersleute schon längst
in den Federn liegen. Die Merienda, eine Art Brotzeit gegen 18 Uhr, hilft das
späte Abendessen zu erwarten. Am Morgen verzichten wir auf das Frühstück, das
eh nur aus einer Tasse Kaffee besteht; in Dörfern

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