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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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dargestellt waren. Immer wieder schön, das High-Tech-Instrumentarium für eine Weile gegen die guten alten Dietriche, Brecheisen und Totschläger einzutauschen. Mirko summte etwas vor sich hin, während seine Finger ein Eigenleben entwickelten und wie Spinnen über das Schloss krabbelten. Er brauchte keine zehn Sekunden, und der Mechanismus schnappte auf. Niemand würde später erkennen, dass er sich auf diese Weise Einlass verschafft hatte. Seine Art, Schlösser zu öffnen, hinterließ nicht den kleinsten Kratzer. Und zumeist auch keine Überlebenden.
    Er trat in den dunklen Hausflur und verharrte, den Rahmen der offenen Tür umklammert. Wie oft würde er diese Tür öffnen müssen? Besser, sie vorübergehend zu blockieren. Er ließ den Holm herausschnappen, so dass sie nicht ins Schloss fallen konnte, lehnte sie geräuschlos an und erstieg die ausgetretenen Stufen der Altbautreppen zum zweiten Stock. Unhörbar rollten seine Turnschuhe auf den Planken ab, als er sich Clohessys Wohnungstür näherte. Er ging sehr nahe an den Fußleisten entlang. Hier war die Gefahr, dass die Bohlen knarrten, am geringsten. Die Wohnung lag etwa sechs Meter seitlich des geräumigen Treppenhausschachts am Ende eines kurzen, hohen Ganges. Mirko lehnte sich in unmittelbarer Nähe der Tür gegen die Wand, verhakte die Daumen in den Taschen der Jeans und wartete.
    Er hatte sich nicht geirrt.
    Zehn Minuten nachdem er seinen Posten bezogen hatte, wurden im Innern der Wohnung Geräusche laut. Jemand näherte sich. Dann schwang eine der beiden Flügeltüren auf, und Clohessy erschien in der Öffnung, einen mittelgroßen Koffer in der Hand.
    »Guten Abend, Paddy«, sagte Mirko.
    Entsetzen verzerrte die Gesichtszüge Clohessys. Mirko wusste, dass der Ire in diesem Augenblick an wilde Flucht dachte. Er stieß sich von der Wand ab und trat ihm in den Weg.
    »Wir brauchen deine Hilfe«, sagte er, bevor Clohessy seine Sprache wiederfinden konnte. »Es gibt ein Problem.«
    Der andere starrte ihn an.
    »Was denn für ein Problem, Mirko?«
    »Lass uns wieder reingehen. Ich erklär's dir drinnen.«
    Clohessy schien wie erstarrt. Seine Pupillen zitterten. Bei Mirkos Anblick hatte er vermutlich an alles Mögliche gedacht, nur nicht daran, dass dieser ihn nach seiner Hilfe fragen würde. Er rührte sich nicht. Mirko legte ihm die Hand auf die Brust und schob ihn sanft zurück ins Innere.
    »Warum läufst du hier eigentlich im Dunkeln rum?«, fragte er beiläufig.
    »Kein besonderer Grund«, sagte Clohessy. Er hatte Mühe, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. »Ich wollte nur …«
    »Egal. Deine Sache.« Mirko ließ die Tür hinter ihnen zufallen und senkte die Stimme. »Das mit O'Connor ist gut gelaufen, wie ich höre.«
    »Sehr gut. Ja, hätte nicht besser sein können.«
    »Er hat dir geglaubt?«
    »Auf jeden Fall!«
    »Gut.« Mirko ließ eine dramaturgisch wirkungsvolle Pause verstreichen. »Ein Problem weniger. Dafür haben wir ein anderes. Es ist was schief gelaufen.«
    »Und w …was?«
    »Jana hat einen Testimpuls abgeschickt.«
    Clohessy holte tief Luft. Dann stellte er den Koffer ab und straffte sich.
    »Jetzt noch?«
    »Ja. Sie sagt, das System habe nicht einwandfrei reagiert. In der Koordination des Zielspiegels mit dem Objektiv ist eine leichte Dissonanz aufgetreten. Jana meint, im Resultat hätten wir eine Abweichung von mindestens zwanzig bis dreißig Zentimetern. Ich brauche dir nicht zu sagen, was das bedeutet.«
    Clohessys Züge sprachen Bände. Er überlegte ganz offenbar, ob Mirko die Wahrheit sagte. Hoffnung stahl sich in seinen Blick. Er runzelte die Stirn und kratzte seinen zerwühlten Schopf.
    »Es können keine Dissonanzen aufgetreten sein«, sagte er langsam. Dann fiel ihm auf, dass es die dümmste aller Antworten war. »Das heißt, vielleicht doch«, fügte er atemlos hinzu. »Ich meine, es liegt definitiv nicht an der Mechanik, sie ist geschützt und funktioniert einwandfrei. Wenn, dann haben wir ein fehlerhaftes Signal in der Steuerung.«
    »Jana fürchtet aber, es sei die Mechanik.«
    »Unmög … ich weiß nicht. Ich muss mit Gruschkow sprechen.«
    »Gruschkow ist in der Spedition. Wir hatten die gleiche Idee. Am besten, du kommst gleich mit mir.«
    Clohessy trat einen Schritt zurück.
    »Was ist denn los, Paddy?«, fragte Mirko ruhig. »Hast du Angst?«
    »Warum sollte ich Angst haben?«
    »Weil du Grund dazu hättest. Wäre das Gespräch mit O'Connor nicht so positiv verlaufen, hätten wir ernsthaft darüber nachdenken

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