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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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sich erfolgreich hatte akkreditieren lassen, beantragte die Poolkarten seiner Wahl zwei Monate vor dem Gipfel und holte sie am Tag des jeweiligen Events im Pressezelt ab, sofern er im Besitz eines gültigen Akkreditierungsausweises war. So schloss sich der Kreis.
    Jana stand vor dem Exit »Flughafen« und wartete geduldig auf den Shuttle-Bus. Für jeden Pool gab es im Zelt einen eigenen Ausgang. Gut eine Stunde vor dem fraglichen Termin passierte man seinen Pool-Exit, flankiert von Mitarbeitern des Bundespresseamts, bestieg seinen Bus und ließ sich ans Ziel kutschieren.
    Es hatte einige Mühe bereitet, Jana zugleich in den Besitz einer ordnungsgemäßen Akkreditierung zu bringen. Mirko hatte sich darum gekümmert, und er hatte seine Sache mehr als gut gemacht. Nun war sie Cordula Malik, ausgestattet mit einer wasserdichten Legende und offiziell vermerkt als freie Journalistin aus Wien, seit heute offiziell eingebucht im Hotel Flandrischer Hof auf dem Hohenzollernring. Sie besaß einen Akkreditierungsausweis und seit wenigen Minuten eine Poolkarte für die Pressetribüne auf dem Vorfeld Fracht West des KölnBonn Airport.
    Sie sah sich um. Das zweistöckige Pressezelt war stark frequentiert. Zweifellos hatten die Organisatoren des Gipfels hiermit ihr Meisterstück abgeliefert. Halb scherzhaft, halb ehrfürchtig wurde das provisorische Headquarter des internationalen Journalismus nun »Gipfel-Ufo« genannt. Hatte man die Sicherheitsschleuse passiert, Handy und Schlüssel dem Röntgenlaufband anvertraut und sich vom Metalldetektor absuchen lassen, während Scanner über Taschen und Geräte huschten, fand man sich in einem drei Millionen teuren High-Tech-Universum wieder, das der Kommandobrücke einer überdimensionierten Enterprise glich. Im Mittelpunkt des Ufos befand sich eine kreisrunde Faxzentrale. Von dort zweigten sternförmig endlos scheinende Reihen hochmoderner Arbeitsplätze ab, ausgestattet mit Laptop-Anschluß und PC, analogen und ISDN-Telefonen, E-Mail und Internet. Über die TV-Bildschirme einer zelteigenen Fernsehstation flimmerten fortlaufend Nachrichten und Pressekonferenzen, in den Pausen lief VIVA zur Entspannung.
    Einige Schritte von Jana entfernt stand ein junger, stoppelhaariger Mann und sprach in ein Diktaphon, während er von Zeit zu Zeit in einen Notizblock schaute.
    »Dreitausend Journalisten finden in dem Ufo Platz«, sagte er, »die nach vorläufigen Schätzungen bereits einige hunderttausend Hektoliter Kölsch, Wasser, Limo und Cola niedergemacht und neben Zentnern von Kanapees, belegten Broten, Salaten und Törtchen an die zweitausend Kilo Lachs verspeist haben. Alle zehn Minuten treffen die Nachschublaster ein. Es ist eine gewaltige Maschinerie in Bewegung gesetzt worden, um jeden Hunger zu stillen, sei es den nach Neuigkeiten oder Kohlenhydraten.«
    Er machte eine kurze Pause, blätterte in dem Block und fuhr fort: »Die Stimmung ist gut, ganz ausgezeichnet. Man hat die Journalisten mit Wundertüten beschenkt, voll der nützlichsten Dinge – Augenblick, haben wir darüber nicht schon letzte Woche was gebracht? Egal. Jedenfalls, jeder hat was springen lassen. Der WDR einen Eurorechner mit Übersetzerfunktion, Ford ein Sitzkissen, Bayer einen Blutzuckermesser, um sich selbst auf Gipfeltauglichkeit zu testen.« Er grinste in sich hinein. »Das Sitzkissen ist den meisten, sagen wir ruhig, am Arsch vorbeigegangen, der Blutzuckermesser sorgte für Ratlosigkeit und anschließendes Entsetzen, weil man sich zwecks Diagnose in den Finger pieksen musste. Dafür waren die kostenlosen Eintrittskarten zum Gipfelkonzert auf dem Roncalliplatz, das unvermeidliche Fläschchen 4711, vor allem aber die vom Bundespresseamt großzügig verteilten Kondome auf lebhaftes Interesse gestoßen. Letzteres hat den kölnischen Klerus verdrossen, ebenso wie der Umstand, dass Kölns bekannteste Lustmeile mit neuen Matratzen und zweihundert Extramädchen aufgerüstet hat und seit Wochen ein einmotoriger Flieger über dem Dom ein Transparent hinter sich herzieht, auf dem für einen Nachtclub namens ›Pascha‹ geworben wird. Der Sprecher des Erzbistums hat einiger Verärgerung Ausdruck verliehen – haben wir ein Bild von dem Typ? Nachprüfen! –, allerdings in gedämpfter Form. Die Kirche weiß sehr genau, dass sie nichts davontragen wird als den Ruf des ewigen Spielverderbers, also begegnet man dem zu erwartenden Sündenbabel mit Last-Minute-Beichtgelegenheiten und zusätzlichen Gipfel-Gottesdiensten. – Irgendwie

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