Lautlos
zustürmen sah. Er versuchte, auf die Beine zu kommen, hob den freien Arm zum Schutz, aber da stand Gruschkow bereits vor ihm und rammte ihm die Stiefelspitze in den Unterleib.
Ein erstickter Schrei kam von den Lippen des Lektors. Er klappte zusammen. Gruschkow trat ihn in die Seite. Kuhn wimmerte und versuchte davonzukriechen. Die Kette der Handschellen straffte sich, Metall kreischte über Metall. Gruschkows Wut steigerte sich zur Raserei, und er trat weiter auf den am Boden liegenden Körper ein, bis das Wimmern erstarb.
Schwer atmend hielt er inne.
So war es gewesen damals. In Russland. Als er die Frau totgetreten hatte. Und das Kind. Das Kind hatte noch drei Tage gelebt. Diese schreckliche Wut, die ihn mitunter heimsuchte, dass er nicht mehr klar denken konnte, sie hatte sich seiner bemächtigt und seine Familie gefordert.
Bis an die Grenze der Amnesie hatte er den Tag verdrängt, und dennoch waren die Bilder der verkrümmten Körper immerzu präsent, selbst wenn er schlief. Der große, schlanke und der kleinere daneben. Auf dem Fußboden in der Küche. Dort, wo sie es getrieben hatte mit ihrem Liebhaber, den es gegeben haben musste! – Ungeachtet ihrer Beteuerungen, ein solcher Mann habe nie existiert.
Und das Kind, es hatte die Mutter beschützt. Auch das Kind war gegen ihn gewesen. Alle waren gegen ihn gewesen.
Man hatte ihn nicht gefasst.
Gruschkow war geflohen und hatte Leute um Hilfe gebeten, Leute mit Verbindungen, die andere Leute kannten. Teuer, das Ganze, aber er war ein hervorragender Wissenschaftler gewesen in Moskau, und er hatte ein bisschen Geld. Jana war auf ihn aufmerksam geworden und hatte ihn rausgeholt aus Russland. Nie hatte sie ihn verurteilt, obwohl sie sehr genau wusste, was er getan hatte.
Nie ein Wort des Vorwurfs. Stattdessen eine Karriere als Terrorist.
Es war so überraschend einfach gewesen, all diese Waffen zu entwickeln. Nicht in technischer Hinsicht, sondern an sich, als bereitwillig vollzogene Handlung. Waffen, mit denen Jana für Geld Menschen tötete. Es war so einfach geworden, kein Gewissen zu haben, dass er sich mitunter gefragt hatte, ob er je eines besessen hatte.
Und immer wieder kamen die Bilder aus der Küche über ihn.
Das war Janas einzige Bedingung gewesen. Nie wieder ein Wutanfall mit derartigen Folgen. Nichts dergleichen.
Der Lektor vor seinen Füßen rührte sich nicht. Gruschkow ging in die Hocke und streckte zögerlich die Hand nach ihm aus, zog sie wieder zurück, betrachtete ihn.
Es war zu spät. Er hoffte, dass der Mann noch lebte, aber er konnte nichts tun. Nur noch warten, bis Jana kam. Er schätzte, dass auch Mahder irgendwann aufkreuzen würde, falls der sich überhaupt noch irgendwo hintraute nach dem Fehlschlag. Gut möglich, dass sie alle schon gesucht wurden.
Ja, allerdings. Sehr gut möglich.
Besser, den YAG wieder einzufahren!
Gruschkow erhob sich, ging hinüber zu dem Schaltkasten und betätigte den Mechanismus. Klirrend schnappten die Arretierungsklammern zurück und gaben die Räder frei. Das Gefährt setzte sich in Bewegung und rollte aus dem Hof zurück in die Halle. Gruschkow wartete, bis es so weit im Innern war, dass er die Tore schließen konnte. Dann drückte er auf HALT. Unnötig, das ganze Riesending zurück bis in die Mitte der Halle fahren zu lassen. Wie es aussah, brauchten sie den YAG ohnehin nicht mehr.
Andererseits – man konnte nie wissen.
Sicherheitshalber warf er die Akkus wieder an. Binnen einer Stunde würde der YAG wieder einsatzfähig sein. Wofür auch immer.
Er schloss die Tore mit der Fernbedienung, strich sich über die Glatze und ging zurück in den Computerraum, um fernzusehen.
O'CONNOR
Sie hoben nicht ab.
Die Polizeimeisterin steuerte den Wagen in einer weiträumigen Kurve um das Vorfeld herum und hielt auf das VIP-Zelt zu, als wolle sie geradewegs hindurchfahren. Über Funk war zu hören, wie Lavallier den Befehl zum Abschuss gab. Während die Polizistin auf die Bremse trat und den Wagen mit quietschenden Reifen quer zum Zelt setzte, kamen die Abschussmeldungen der Scharfschützen durch.
O'Connor öffnete die Beifahrertür und sprang hinaus, kaum dass sie standen. Clinton war nicht zu sehen. Er begann, um den Wagen herum in Richtung Maschine zu laufen.
»He!« Die Polizistin war nicht weniger schnell draußen und packte ihn am Ärmel. »Was soll das werden?«
»Das Ende Ihrer Karriere, wenn Sie mich nicht auf der Stelle loslassen!«
»Sie rennen nirgendwohin!«
»Wofür sind wir dann wie
Weitere Kostenlose Bücher