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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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des Lichtimpulses, der Bill Clinton töten sollte.
    Die Chips in Janas Nikon schickten ein Radiosignal in die Spedition, das den YAG aktivierte.
    In dem riesigen metallenen Kasten vollzog sich in unvorstellbar kurzer Zeit eine komplexe Abfolge von Funktionen. Stoßartig entluden sich die beiden 20-KVA-Starkstromaggregate und ließen mehrere Tausend daumennagelgroße Diodenlaser synchron erstrahlen und einen Lichtimpuls in einen Resonator schicken.
    Der Resonator war der eigentliche Neodym-YAG. YAG stand für Yttrium-Aluminium-Granat. Ein röhrenförmiger Kristall von einigen Metern Länge, versetzt mit Neodym-Atomen, dessen Enden planparallel geschliffen und nach innen verspiegelt waren. Zwischen diesen Spiegeln baute sich im Moment, da Jana den Auslöser betätigte und die Diodenlaser elektromagnetische Energie in den Kristall pumpten, eine Lichtwelle auf, schoss zwischen den Spiegeln hin und her und verstärkte sich mit jedem Durchgang, bis das System die Welle emittierte und in den ersten von drei Verstärkern schickte.
    Dort schaukelte sich die Welle weiter auf, synchronisierte sich, traf auf einen weiteren Spiegel und wurde im rechten Winkel in den zweiten Verstärker geschickt, verstärkte sich erneut, gelangte in den dritten Verstärker und trat aus diesem in ein kleines Spiegelteleskop von dreißig Zentimetern Durchmesser, das sie fokussierte und durch das Loch in der Schmalseite des Kastens nach draußen schickte. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Frequenz des Laser 1,6 μm. Der Strahl war damit für das menschliche Auge unsichtbar, das eben noch in der Lage war, 0,75 μm als sichtbares Licht im roten Bereich wahrzunehmen.
    Aber selbst im sichtbaren Spektrum hätte man die Welle nicht gesehen, denn der YAG erzeugte keinen kontinuierlichen Strahl, sondern einen ultrakurzen Impuls.
    Der vielfach gebündelte Lichtstoß, der den Kasten verließ, dauerte nur eine 100000stel Sekunde, aber seine Leistung betrug ein Giga-Watt! Der Impuls reichte, um dreißig Kubikzentimeter Wasser explosionsartig verdampfen zu lassen. Oder dreißig Kubikzentimeter menschliches Gewebe, das zum überwiegenden Teil aus Wasser bestand. Es würde explosionsartig aufgebläht werden von rund vierzig Kubikmetern schockartig entstehendem Wasserdampf – mehr als genug, um jede bildende und umgebende Struktur augenblicklich in Fetzen zu reißen.
    Der Impuls wurde von dem Spiegel auf dem Dreifuß eingefangen, der mit einer Kamera gekoppelt und auf winzigen Piezomotoren gelagert war, ein System, das man als adaptive Optik bezeichnete. Im Moment des Ausstoßes maß es über die komplette Entfernung bis zum Zielsystem an der Lärmschutzhalle die Partikelverunreinigungen in der Atmosphäre und schickte die Informationen zurück. Blitzartig justierten die Motoren die Oberfläche des Spiegels, indem sie ihn auf eine Weise verbogen, dass der Impuls unterwegs nicht abgelenkt werden konnte.
    Die Welle raste aus dem Innenhof hinaus und hoch in die Luft zu einem zweiten Spiegel, der wenige hundert Meter weiter an der Spitze eines Strommasts befestigt war, wurde von diesem reflektiert und auf seine drei Kilometer lange Reise über die umliegenden Vororte, Wiesen und Wäldchen zum UPS-Gebäude geschickt. Kein Regentropfen zerstreute die synchronisierte Welle, in keinem Dunst verlor sich ihre geballte Kraft. Konisch verengt traf sie auf den Spiegel am Ende des Belüftungsrohrs und bewegte sich von dort weiter zur Lärmschutzhalle.
    Das alles vom Moment an, da Jana den Auslöser der Nikon gedrückt hatte, vollzog sich mit 300000 Sekundenkilometern, in Lichtgeschwindigkeit also. Das Projektil des Scharfschützen und der mörderische Lichtimpuls lieferten sich auf den letzten paar hundert Metern zur Lärmschutzhalle sozusagen ein Rennen. Und nur die Tatsache, dass Jana die Position des Fadenkreuzes in letzter Sekunde nach unten verschoben und dadurch Zeit verloren hatte, rettete dem Präsidenten der Vereinigten Staaten das Leben.
    Das Projektil schlug in das Drehgelenk des Objektivs ein, als der Impuls auf den vorgelagerten Spiegel traf. Es reichte, um den Mechanismus zu zerstören und den Spiegel nach oben zu verbiegen. Anstatt auf Clintons Kopf zu treffen, wurde der Impuls steil in die Höhe reflektiert.
    Sechzehnhundert Meter über dem Erdboden traf er mitten in einen Vogelschwarm.
    Das Tier, in dessen Brust er sich bohrte, überlebte nicht annähernd lange genug, um schreien zu können. Die Wassermoleküle im Körper des Vogels verwandelten sich binnen eines

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