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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Shinrikyo ausgegangen waren, hätte sie sich nicht mit einem Sicherheitsdenken herumschlagen müssen, das kaum noch Raum für bewährte Waffensysteme ließ und jeden Erfolg in den Bereich der Utopie rückte.
    Wer zu dieser Zeit an dem Haus in den piemontesischen Bergen vorbeifuhr, wäre nie auf die Idee gekommen, was die angesehene Unternehmerin Laura Firidolfi dort gerade ausbrütete. Es lag ruhig und friedlich da. Aus dem großen Arbeitszimmer drang das Licht der Schreibtischlampe, die Janas Gedanken einsam beleuchtete. Über den Berg von Kladden, Dokumentationen und Fachbüchern hinweg konnte sie auf die Lichter von La Morra schauen, dessen Silhouette den Hügelkamm zackte. Hin und wieder tauchten die Finger von Scheinwerfern in der Dunkelheit auf, verklangen Motorengeräusche. Die Kälte trieb Nebel in die Weinstöcke. Ein Ort für Geistergeschichten war das, nicht für schweißtreibenden Terror.
    Jana war eine Weile spazieren gegangen und hatte die winterliche Luft eingesogen. Im Allgemeinen kamen ihr die Ideen eher nebenbei. Ansatzpunkte fand sie schnell, Zeit kostete die Verfeinerung. Sie schöpfte aus einem reichhaltigen Repertoire und individualisierte die Methode ihrer Wahl im Laufe weniger Stunden. Der Rest war Routine, beinahe langweilig. Ein Gewehr blieb ein Gewehr, eine Pistole eine Pistole. Selbst wenn es sich um Einzelstücke handelte, die eigens für den einen Moment angefertigt wurden, den sich manche ihrer Arbeitgeber bis zu einer Million kosten ließen.
    Diesmal war es anders.
    Seit Tagen wartete sie darauf, dass sich die Initialzündung einstellte, sich die alles entscheidende Datei in ihrem Kopf öffnete und ihre Geheimnisse preisgab. Im Bewährten fand sich keine Lösung. Wieder und wieder war Jana den Tag durchgegangen, an dem sie sich ihrer fünfundzwanzig Millionen als wert erweisen musste. Immer wieder endete sie in einer Sackgasse. Error. Der Fehler 5 ist aufgetreten. Sichern Sie Ihre Daten. Schließen Sie das Fenster. Versuchen Sie ein anderes Programm. Neustart.
    Es wäre halb so wild gewesen, wenn Mirkos Hintermänner die Randbedingungen nicht so eng geschnürt hätten. Aber Ort und Zeit lagen genau fest. Sie wollten es in diesem einen Augenblick, und sie wollten es so, dass es der Welt den Atem verschlug.
    Die Quadratur des Kreises.
    Wie immer die Lösung aussah, sie würde von bestechender Logik und zugleich vollkommen abstrus sein müssen. Etwas so Unglaubliches, dass selbst die ausgefuchstesten Sicherheitsleute nicht darauf kommen würden.
    Ihr Blick wanderte zu der Uhr auf ihrem Schreibtisch. Allmählich fühlte sie Müdigkeit in sich aufsteigen. Es war Viertel vor drei am Morgen. Mittlerweile schnitten keine Scheinwerferkegel mehr durch die Hügel, und die Lichter von La Morra waren verlöscht bis auf einige Straßenlaternen. Jana stand auf, reckte die Gliedmaßen und fühlte eine leichte Verspannung in ihrer linken Schulter.
    Das war nicht gut. Sie konnte sich keine körperlichen Ausfälle gestatten. Weder nach stundenlangem Sitzen noch nach durchgearbeiteten Nächten. Sie würde ihr tägliches Sportprogramm überdenken und vielleicht den Masseur wechseln müssen. Sie hatte zweimal mit ihm geschlafen und seitdem den unbestimmten Verdacht, dass der Druck seiner Hände einer albernen Zärtlichkeit gewichen war, wenn er sie anfasste.
    Gähnend ging sie hinüber zu der Konsole mit den CDs, wählte Space Oddity von David Bowie und gestattete sich einen letzten Schluck von dem Nebbiolo. Das Glas in der Hand, trat sie bis nah ans Fenster und sah hinaus, so wie sie es immer tat, wenn sie Ratlosigkeit verspürte.
    Im Unerwarteten liegt die Chance.
    Wer hatte das noch gesagt? Irgendeiner von den Iren? Vermutlich. Sie hatten schon so viele kluge Dinge gesagt. Die Iren waren wirklich gut.
    Leicht enerviert ging Jana zurück zum Schreibtisch, stellte das Glas ab und langte mit der Hand nach dem Schalter der Lampe.
    Mitten in der Bewegung verharrte sie.
    Ihre Hand schwebte einen Moment lang in der Luft und sank dann langsam herunter, während ihr Blick fasziniert auf das Glas gerichtet war. Im letzten Rest des Nebbiolo brachen sich die Lichtstrahlen und erzeugten funkelnde Kaskaden von intensivem Hellrot.
    Die Lösung lag im Wein.
    Nein, das war tatsächlich zu abstrus. Am besten, sie verschwendete keinen weiteren Gedanken an die Sache und legte sich schleunigst schlafen.
    Aber noch während ihr Verstand protestierte, ging sie in die Hocke, ergriff den schlanken Stiel des Glases und begann, es

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