Lautstärke beweist gar nichts - respektlose Wahrheiten
unablässig durch den Kopf wehen« – Sturm, Wehen, das ist gut, das sind Bilder, die dem Kopf auch gerecht werden, sie schmeicheln ihm; und dann sagt er: »Biographien sind nur die Kleider und Knöpfe des Menschen – die Biographie des Menschen kann nicht geschrieben werden« (alle diese Sachen beieinander im Kapitel »Die Welt steckt voller Überraschungen«). Und das mit der Biographie steht hier gut, auch seine Autobiographie kommt in diesem Büchlein ja vor, seine lange geheim gehaltne Autobiographie.
Ja, der Ansturm und das Wehn der Gedanken, all dessen also, was frei ist, wie es in dem Liedchen ebenso hübsch wie energisch heißt, das ist schon was andres als Kleider und Knöpfe oder eben als das Leben, wie es so vorkommt bis hin zu dem Punkt, an dem es dann gegen Ende zusammengefasst werden kann, wie Mark Twain das dann tut, wo er versucht,seine Biographie zu schreiben, zu diktieren. Das hat dann doch irgendwie einen Zusammenhang gehabt, dieses für jeden sichtbare Leben in Kleid und Knopf – aber diese Gedanken oder was das ist im Stürmen und Wehn: Keinem sei das bekannt außer dem, in dem es da stürmt und weht, sagt er, und das wird auch so sein – aber heißt das schon was?
In Wahrheit hat da im Kopf doch, eben anders als Kleider und Knöpfe (Knöpfe, das ist doch der Inbegriff von Zusammenhang), kaum etwas auch nur irgendeinen Zusammenhang, da gibt es weder Ordnung noch Überblick, und wenn man mitunter denkt, alles hängt mit allem zusammen in der Welt und überhaupt, und das mag ja auch sein, dann hängt da im Kopf (ohne Knopf) genauso gut nichts mit nichts zusammen, es herrscht da das reinste Chaos (prüfen Sie das selbst ruhig mal nach in sich, abends, ohne Fernsehn). Die Gedanken, das ist ja doch bloß, hier wenigstens, ein Wort für alles, was so weht im Kopf, man hat es doch überhaupt nicht in der Hand, auch wenn man das manchmal denkt – und schauen Sie auch einmal bei Gelegenheit nach, wie die Gedanken auch hier in diesem Büchlein, und grad wenns um sie selber geht, durcheinandergehn und sich widersprechen.
Vielleicht könnte man einräumen, dass das Chaos von Kopf zu Kopf etwas anders aussieht, sozusagen wäre der Sturm verschieden stark und die Windrichtung eine etwas andre von Kopf zu Kopf, von Gemüt zu Gemüt, von Seelenlage zu Seelenlage (da wäre das Chaos nach draußen verlagert, ins allgemeine Chaos, aber das wollen wir jetzt doch lieber weg- oder, was aufsselbe rauskommt, Gott überlassen) – aber ja, das wäre doch ein Trost, nicht wahr? Schau dieses Gedankendurcheinander, könnte man sagen, das gehört Mark Twain, jenes dort dem Kollegen Dickens, den er mochte, das da jenem Verleger, den er so gern verbrannt gesehn hätte (in dessen Chaos seinerseits so was wie Verbrennen vielleicht durch »Ausnehmen« ersetzt war, siehe unter »Ich höre mich gern reden«, das wären dann so Seelenlagenunterschiede); und schau, könnte man sagen, da ist tatsächlich auch mein Chaos, auch eines schließlich, und doch nicht das leerste, und so weiter zwischen Anfang und Ende der Welt.
Und apropos »Ich höre mich gern reden«, da ist noch etwas. Nehmen wir mal Hamlet, in dessen Kopf es ja nun unablässig geweht hat, Sie erinnern sich bestimmt – Hamlet hatte vor lauter Wehn das entsetzliche Problem, überhaupt nicht mehr richtig an Knopf und Kleider zu kommen, und nicht einmal loswerden im Kopf konnte er Knopf und Kleider vor lauter Wehn, Sie erinnern sich, wie er sogar vor Träumen Angst hat. Da ist nun Mark Twain ein ganzer Kerl; zwar hats auch in ihm gestürmt und geweht, dass er manchmal bestimmt auch fast am Verzweifeln über das zuweilen ja doch auch abscheulich Unzusammenhängende von allem war, aber im Grunde liebte und wollte er das Anstürmen, er fand das Gemenge großartig – und wenn ers mitunter eben auch abscheulich fand, dann wars doch toll, dass es eben beides war, abscheulich und abenteuerlich schön. Ja, das wars vielleicht mit Mark Twain und seinen Gedanken, sein Herz war so groß, gar kein Stürmen und Wehn konnte ihm zuletzt was anhaben.
Biographische Notiz
Mark Twain wurde am 30. November 1835 unter dem Namen Samuel Langhorne Clemens in Florida, Missouri, geboren und wuchs in Hannibal, Missouri, auf. Nach dem Tod seines Vaters 1847 musste er die Schule verlassen und begann eine Druckerlehre. Erste literarische Versuche erschienen in der Zeitung seines Bruders Orion Clemens. Nach einer kurzen Karriere als Lotse auf dem Mississippi folgte er seinem Bruder nach
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