Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
und als er zu mir kam, war ich nicht mehr da.«
Sie drehte sich hastig um und ging einen Schritt auf ihn zu. In ihren Augen lauerte Angst. »Tobias, wer immer diesen Ring hinterließ, hat Schreckliches im Sinn. Wenn Sie Recht haben und dies eine Visitenkarte sein soll, haben wir es mit einem neuen Mementomori-Mann zu tun. Sie müssen ihn finden, ehe ein Mord geschieht.«
Hewlett-Packard
Kapitel 2
J ust als sie das untere Ende der dunklen Treppe erreichte, hörte Lavinia, wie eine Tür geöffnet wurde. Kerzenlicht fiel keilförmig auf halber Höhe des Korridors auf die Steinlliesen. Ein Gentleman stahl sich aus seinem Schlafzimmer und hielt auf sie zu.
Der Verkehr hätte nicht geschäftiger sein können. Es war nicht das erste Mal, dass sie in den letzten Minuten rasch Zuflucht in einem Wandschrank suchen oder eilig um eine Ecke verschwinden musste. Die Korridore von Beaumont Castle waren so belebt wie eine Londoner Straße. Dieses Kommen und Gehen zwischen den Schlafräumen hätte amüsant sein können, wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass sie selbst es eilig hatte, zu einem verschwiegenen Stelldichein zu gelangen.
Ich bin selbst schuld, rief sie sich in Erinnerung. Tobias hatte vorgeschlagen, sie in ihrem Schlafgemach aufzusuchen, nachdem sich das Haus zur Ruhe begeben hatte. Es wäre ein ausgezeichneter Plan gewesen, hätte man ihr erlaubt, in dem geräumigen, behaglichen Raum zu bleiben, den man ihr bei ihrer Ankunft heute Nachmittag zugewiesen hatte. Doch am Abend hatte man sie aus unerfindlichen Gründen in dieses winzige Kämmerchen umquartiert.
Ein einziger Blick auf die Schlafgelegenheit in ihrem neuen Zimmer, und ihr war klar, dass es für zwei Personen äußerst unbequem sein würde, zumal wenn die eine ein Mann mit stattlichen Schultern war. Als sie Tobias zu verstehen gegeben hatte, dass sie stattdessen zu ihm kommen würde, hatte sie nicht geahnt, dass dies so schwierig zu bewerkstelligen war, wenn man keine Aufmerksamkeit erregen wollte.
Sie beobachtete freilich verdutzt, dass die meisten Gäste sich von der Tatsache, auf ihren Schleichpfaden zwischen den Zimmern ertappt zu werden, nicht stören ließen. Es bestand offenbar die stillschweigende Übereinkunft, dass diese Vorgänge von Vorübergehenden großzügig übersehen wurden. So geht es eben zu, wenn man sich in gehobenen gesellschaftlichen Kreisen bewegt, sagte sie sich lakonisch.
Sie hatte allerdings das Gefühl, dass es sich für jemanden, der sich mit diskreten privaten Ermittlungen sein Geld verdiente, geschäftlich nachteilig auswirken konnte, wenn er sich so indiskret benahm. Man durfte nicht aus den Augen verlieren, dass sich unter den eleganten Menschen, die übers Wochenende auf Beaumont Castle zu Gast weilten, zukünftige Klienten befinden konnten.
Plötzlich war sie sehr froh, dass sie so vorausblickend gewesen war, die silberne Halbmaske sowie Schwert und Schild mitzubringen, die sie in ihrer Verkleidung als Minerva auf dem Kostümball getragen hatte.
Mit vorgehaltener Maske, um ihr Gesicht zu verbergen, trat sie in die Tiefen der Dunkelheit hinter der Treppe.
Der Gentleman mit der Kerze hatte es so eilig, an sein Ziel zu gelangen, dass er sie nicht bemerkte. Doch als er die Treppe erreicht hatte und sie erklimmen wollte, hörte sie einen dumpfen Aufprall, gefolgt von einem gedämpften Stöhnen.
»Verdammt!«
Der Gentleman blieb stehen und bückte sich, um seine Zehen vorsichtig abzutasten. Dann hinkte er unter weiteren halblauten Flüchen die Treppe hinauf.
Sie wartete, bis sie sicher sein konnte, dass er verschwunden war, ehe sie die Maske senkte und sich aus ihrem Versteck hervorwagte.
In diesem Moment wurde wieder eine Tür geöffnet.
»O verflixt«, entfuhr es ihr nahezu lautlos. Wenn es so weiterging, würde sie Tobias' Schlafzimmer nie erreichen.
Im trüben Licht der Wandleuchte sah sie zwei Gestalten aus dem Raum treten. Die Frau ließ ein tiefes kehliges Lachen hören.
»Kommen Sie, Sir. Sie werden es nicht bereuen, das verspreche ich.«
Eines der Hausmädchen, dachte Lavinia. Offenkundig waren die Gäste nicht die Einzigen, die sich an den nächtlichen Lustbarkeiten einer Landhausparty beteiligten. Ihren Arger mühsam unterdrückend, hob sie erneut die Maske vors Gesicht und schlüpfte zurück in den dunklen Bereich hinter der Treppe.
»Ich sehe nicht ein, warum wir uns nicht in meinem Zimmer vergnügen sollten«, sagte der Mann mit schwerer Zunge. »Mein Bett ist hübsch
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