Lea - Untermieterin bei einem Vampir
es gibt Steaks oder Koteletts. Aber du kannst sicher auch was in vegetarischer Ausführung haben.“
Ich atmete tief ein und sehr langsam wieder aus. Tom wusste genau, dass ich das nicht meinte. Er wusste es, weil ich regelmäßig auf seinem Balkon Spareribs grillte. Er pflegte sich dann über den Qualm zu beschweren, und dass wir kein Ungeziefer hätten, das ausgeräuchert werden müsste.
Daher funkelte ich ihn nun grimmig an.
Er verstand.
„Also gut, Lea. Keine Sorge. Das ist keine Blutparty, sondern ein Familienessen. Und bitte stell’ dir jetzt keine kannibalischen Szenarien vor. Meine Eltern werden da sein, ebenso meine Schwester mit ihrem Freund. Das war’s. Dazu noch wir beide. Es wird ein gemütlicher Abend. Pack dir ruhig Badesachen ein. Meine Eltern haben einen Pool und ich werde vor dem Essen noch eine Runde darin schwimmen. Es ist alles sehr ungezwungen.“
Ich konnte mir Familie Tilly-Lector irgendwie nicht als südstaatlichen Inbegriff von Idylle vorstellen. Ja, Vampire hatten schon immer unter den Menschen gelebt. Sie gehörten auf den Planeten wie ich selbst. Und sie waren nicht für mehr Grausamkeiten bekannt, als andere auch. Doch schon als Kind hatte ich meine Nase über das Bluttrinken gerümpft. Mein Bruder Kyle fand immer, dass ich diesbezüglich unangebracht pikiert reagierte. Möglich. Ich hatte gewisse Vorstellungen von Schicklichkeit, denn ich war eben ein Südstaatenmädchen.
Ich liebte Georgia und himmelte mein geliebtes Savannah an. Hier wollte ich alt werden und tiefe Wurzeln schlagen wie die wunderschönen Lebenseichen, die überall ihre malerischen mit Louisianamoos behängten Baumkronen in den Himmel reckten. Ich liebte es, im Forsyth Park zu spazieren, den Duft der Stadt einzuatmen, meine Fingerspitzen durch das kühle Nass im Brunnen streichen zu lassen und der Viskosität des Wassers nachzuspüren. Ein Mädchen brauchte nicht viel, um glücklich zu sein.
„ Bloß dass du mich schon irgendwie zwingst“, hielt ich dagegen.
„ Im Gegenteil. Ich lasse dir die Wahl. Es ist nicht meine Schuld, dass du de facto keine hast, weil dir das Geld für die Alternative fehlt. Ich möchte wirklich nicht betonen müssen, dass du es eigentlich recht gut bei mir hast. Nicht viele Vermieter üben sich bei Zahlungsverzug in Geduld.“
„ Du gibst mir zwei lausige Tage. Was ist, wenn ich dann immer noch nicht bei Kasse bin?“
Er kam mit ein paar Schritten auf mich zu und betrachtete mich nachdenklich.
„Darf ich demnach annehmen, dass zwei Tage genauso utopisch sind wie heute ?“
„ Keinesfalls. Es ist zwei Tage dichter an dem Tag dran, an dem ich zahlen kann.“ Wann immer das sein mochte.
Er schaute mich ernst an. Es ging schließlich um eine Geldfrage. Wie gesagt, Vampire waren hier etwas pingelig.
„Eines nach dem anderen. Zunächst einmal hast du dir zwei Tage frei verhandelt, indem du mich zu meiner Familie begleitest. Um das andere können wir uns Gedanken machen, wenn diese Frist verstrichen ist.“
Ich sah ihn ungläubig an.
„Du meinst, wir könnten nachverhandeln?“
„ Ich sperre mich nie vor einem fairen Handel.“
Das war Ansichtssache. Ich fühlte mich gelinde gesagt erpresst. Aber er hatte irgendwo Recht. Schließlich hatte ich etwas davon. Nur, dass mir die hundert Dollar deswegen nicht erlassen waren. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und solange wie ich sie wohl verschieben musste, hätten sich bis dahin noch weitere Zahlungen angehäuft. Dann würden wir von einer weit größeren Summe sprechen. Doch etwas anderes konnte ich mir auch nicht leisten. Zweihundert Dollar monatlich zur Miete für mein eigenes Zimmer und die Mitnutzung sämtlicher anderer Räume, ausgenommen Toms Schlafzimmer. Ich fühlte mich nicht wirklich ausgesperrt, denn um diesen Raum machte ich gern einen Bogen.
„Wann willst du los?“, seufzte ich ergeben.
Er warf einen überflüssigen Blick auf seine Uhr.
„Jetzt.“
Ich sah an mir hinab. Ich trug die Flipflops, meine Khakishorts und das weiße Tanktop. Da ich recht ansehnlich gebräunt war, gefiel mir der Farbkontrast gut. Ich hatte immer einen gesunden Bronzeschimmer auf der Haut, mein Haar fiel in blonden Wellen bis zu den Schultern und meine blauen Augen waren mir genug Farbe, sodass ich bis auf Lipgloss von Schminke absah.
Falls es heiß wurde, brauchte ich mir nie Gedanken zu machen, ob etwas Make up verlief. Es war nicht so, dass ich deswegen weniger Platz auf den Ablagen im Badezimmer belegte. Tom hatte zu Beginn
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