Leb wohl! (German Edition)
»Einer von uns dreien ...«, sagte er zu dem Soldaten; dann unterbrach er sich und sah den Adjutanten an: »Sie kommen mit, Hippolyt, nicht wahr?« Hippolyt bejahte durch eine Neigung des Kopfes. »Einer von uns«, fuhr der Major fort, »nimmt den Posten auf sich. Übrigens schlafen sie vielleicht auch, die Russen ...« »Komm, Major, du bist ein wackerer Kerl! Aber du nimmst mich in deine Chaise?« sagte der Grenadier. »Ja, wenn du nicht da oben deine Haut läßt. Wenn ich umkomme, Hippolyt und du, Grenadier,« sagte der Major, indem er sich an seine beiden Gefährten wandte, »versprecht ihr mir da, euch der Rettung der Gräfin zu widmen?« »Abgemacht«, sagte der Grenadier.
Sie gingen auf die russischen Linien zu, auf die Batterien, die die Masse der Elenden am Ufer des Flusses so grausam zerschmettert hatten. Wenige Augenblicke nach ihrem Aufbruch hallte der Galopp zweier Pferde auf dem Schnee wider, und die erwachte Batterie schickte Salven aus, die den Schläfern über die Köpfe flogen; der Lauf der Pferde war so schnell, daß man das Geräusch für das der Schmiede hätte halten können, die ein Eisen hämmern. Der großherzige Adjutant war gefallen ... Der athletische Grenadier war munter und wohlbehalten. Philipp hatte, als er seinen Freund verteidigte, einen Bajonettstich in die Schulter bekommen; nichtsdestoweniger klammerte er sich an die Mähne des Pferdes und klemmte es so kräftig zwischen seinen Schenkeln ein, daß das Tier wie in einem Schraubstock gefangen war.
»Gott sei gelobt!« rief der Major, als er seinen Soldaten dastehen und den Wagen noch an derselben Stelle sah. »Wenn Sie gerecht sind, Herr Major, so müssen Sie mir das Kreuz verschaffen. Wir haben doch hübsch Schießgewehr und Säbel gespielt, wie?« »Wir haben noch nichts vollbracht! Spann die Gäule an; hier, nimm die Stricke.« »Die reichen nicht.« »Nun, Grenadier, legen Sie Hand da an die Schläfer und nehmen Sie ihre Schals, ihre Wäsche ...« »Hallo, der da ist tot, der Possenreißer!« rief der Grenadier, indem er den ersten plünderte, der ihm zwischen die Hände kam. »Ah, ist das eine Posse, die hier sind tot!« »Alle?« »Ja, alle! Es scheint, der Gaul ist unverdaulich, wenn man ihn zum Schnee ißt.«
Bei diesen Worten erzitterte Philipp. Die Kälte war noch stärker geworden. »Gott, eine Frau zu verlieren, die ich schon zwanzigmal gerettet habe!« Der Major schüttelte die Gräfin und rief: »Stephanie! Stephanie!« Die junge Frau schlug die Augen auf. »Gnädige Frau, wir sind gerettet!« »Gerettet!« wiederholte sie und sank zurück.
Die Pferde wurden, so gut es eben ging, angespannt; der Major nahm den Säbel in die gesunde Hand, behielt die Zügel in der andern und stieg, mit den Pistolen bewaffnet, auf eins der Pferde, der Grenadier auf das andere. Den alten Soldaten, dem die Füße erfroren waren, hatte man quer in den Wagen geworfen, über den General und die Gräfin. Die Pferde wurden mit Säbelhieben angetrieben und rissen den Wagen mit einer Art Wut in die Ebene hinunter, wo den Major unzählige Schwierigkeiten erwarteten. Bald wurde es unmöglich, vorzudringen, ohne daß man schlafende Männer, Frauen, ja Kinder zermalmte, die sich alle weigerten, aufzustehen, als der Grenadier sie weckte. Vergebens suchte Herr von Sucy den Weg, den sich noch eben die Nachhut durch diese Menschenmasse gebahnt hatte; er war verschwunden, wie die Furche des Schiffs auf dem Meer verschwindet. Der Wagen kam nur im Schritt weiter; unablässig wurde er angehalten von den Soldaten, die die Pferde zu töten drohten.
»Wollen Sie durch?« fragte der Grenadier. »Um den Preis meines Blutes! Ja, um den Preis der ganzen Welt!« erwiderte der Major. »Los! Man kann keine Omelette machen, ohne Eier zu zerbrechen.«
Und der Gardegrenadier jagte die Pferde auf die Menschen, so daß die Räder blutig wurden; er legte die Biwake nieder und zog eine doppelte Totenspur über dieses Kopffeld. Aber wir wollen gerecht sein und hinzufügen, daß er nie unterließ, mit Donnerstimme zu rufen: »Achtung, ihr Luder!« »Die Unglücklichen!« rief der Major. »Bah, so oder durch die Kälte, so oder durch die Kanone!« sagte der Grenadier, indem er die Tiere antrieb und mit der Spitze seines Seitengewehres spornte.
Eine Katastrophe, die ihnen schon eher hätte zustoßen müssen und vor der sie bisher ein wunderbarer Zufall bewahrt hatte, hielt sie plötzlich in ihrer Fahrt auf: der Wagen schlug um. »Das hatte ich mir gedacht!« rief der
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