Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers
ich sie also nach Hause?« Ich war hin- und hergerissen. Einerseits würde ich ihnen damit ihren Wunsch erfüllen. Andererseits wären sie dann endgültig weg. Das konnte doch nur gut sein. »Woher weiß ich denn, welches Tor ich benutzen muss? Ich glaube nicht, dass ich einfach so eins finde.«
Mit fiebrigem Blick drehte Jack sich zu mir um. Irgendetwas in seinem Gesicht erinnerte mich plötzlich an Fehl und mein Magen zog sich nervös zusammen.
»Du schickst sie nicht nach Hause. Ich habe alles gelesen, was man zum Thema Tore und Portale finden kann, und es gibt einen viel geeigneteren Ort für sie.«
»Und zwar?«
»Die Hölle natürlich.« Ich wurde kreideweiß und er drückte meine Hand. »Denk doch mal drüber nach, Evie. Warum sollten sie kriegen, was sie wollen, nach allem, was sie getan haben? Sie haben die Vampire gemacht. Sie haben Vivian zerstört. Sie haben dein Leben ruiniert und mir meins geraubt. ›Zu böse für den Himmel und zu gut für die Hölle‹, der Quatsch gilt nicht mehr – wenn es irgendwem recht geschieht, ewige Qualen zu leiden, dann ja wohl ihnen. Sie haben es sich regelrecht verdient. Sie haben dich erschaffen, dir dieses Leben aufgezwungen, nur damit du ein Tor für sie öffnest. Na, dann mal los – öffne ein Tor!«
»Ich weiß nicht.« Sie loszuwerden war eine Sache, aber sie alle in diese Hölle zu verdammen, von der Jack überzeugt war, dass ich sie finden würde?
»Und ob du das weißt! Du musst es wissen! Hast du irgendeine Vorstellung, wie es war, bei ihnen aufzuwachsen? Ausgehungert nach Liebe, nach Aufmerksamkeit, nach einfach allem? Verhätschelt und im nächsten Moment ausrangiert? All die Dinge, die sie mir angetan haben … all die Dinge, die ich bereit war, für sie zu tun. Und trotzdem war ich ein Nichts – noch weniger als ein Schoßhündchen. Sag mir nicht, sie hätten es nicht verdient! Du hast die Dunkle Königin doch gesehen, du hast gesehen, wozu sie fähig ist! Denkst du, diese Menschen haben die Hölle verdient, in der sie leben? Willst du mir wirklich nicht helfen, das alles wieder in Ordnung zu bringen?«
Der Ausdruck auf den Gesichtern dieser Menschen tauchte wieder vor meinem inneren Auge auf, nagte an mir. Die Feen hatten ihnen alles genommen, selbst ihren freien Willen. Und war das nicht das, was Feen immer taten? Uns die Wahl nehmen, uns zwingen, ihre kranken Spielchen mitzuspielen?
»Und was ist mit Reth?« Jacks Stimme klang jetzt sanfter, aber genauso eindringlich. »Nach allem, was er dir angetan hat, wie er versucht hat, dich zu sich zu holen? Kannst du dir wirklich deine Narbe ansehen, ohne dir zu wünschen, er wäre für immer fort?«
Langsam nickte ich und sah auf mein Handgelenk hinunter. Feen waren abgrundtief böse. Der schwindelerregende Schmerz in meinem gebrochenen Arm war ein weiterer Beweis dafür. Ich konnte sie nicht mehr bloß als unmoralisch bezeichnen. Sie hatten vielleicht nicht dieselben Vorstellungen vom Leben wie Menschen, aber sie lebten nun mal in einer menschlichen Welt. Wir waren nicht diejenigen, die uns über ihre Gesetze, ihr Leben, ihre Rechte hinwegsetzten. Und wenn sie fort waren, wäre ich endlich in Sicherheit. Keine Sorgen mehr über das, was sie vorhaben könnten, was sie mir antun könnten, auf welche Art sie mich als Nächstes angreifen würden. Jack hatte recht.
Aber wenn ich recht darüber nachdachte, konnte ich mich nicht daran erinnern, Jack je von meiner Narbe erzählt zu haben. Und auch keine Details über Reth. Oder dass die Feen die Vampire erschaffen hatten. Und ich war mir jetzt auch sicher, dass ich niemals etwas über die Tore erwähnt hatte.
»Woher weißt du über das alles Bescheid?«, fragte ich.
»Hab ich doch schon gesagt – ich hab viel gelesen. IBKP-Akten, Feensagen und so.«
»Moment, du hast also auch Sachen über mich gelesen?«
»Das ist wie mit den Pfaden. Ich habe gelernt, sie zu benutzen, weil das Freiheit bedeutete. Und ich habe alles Mögliche über dich gelernt, weil du – weil du dasselbe bedeutest. Freiheit von den Feen, für immer.«
Seine Hand klammerte sich fester, verzweifelter um meine. Wie lange hatte er mich auf diesen Punkt zugesteuert? Vielleicht hatte er wirklich recht, ich wusste es nicht, vermochte es nicht mehr zu sagen, aber das hier konnte ich jetzt nicht machen. »Ich muss – ich muss nachdenken.« Ich hatte zu große Schmerzen, um sofort eine Entscheidung zu treffen.
»Nein. Es muss jetzt sein. Lass nicht zu, dass die Feen noch mehr Leuten
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