Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers
im Feenreich hocken bleiben, bis er schwarz wurde. Für mich war er ein Nichts.
Aber ich, ich war definitiv kein Nichts.
Schade nur, dass ich das nicht kapiert hatte, bevor ich meine Beziehung mit der Liebe meines Lebens zerstört hatte. Ich hatte alles kaputt gemacht, war so wild darauf gewesen, mir mein ideales Leben aufzubauen, und so paranoid in meiner Angst, ich könnte Lend verlieren und verletzt werden, dass ich mich selbst sabotiert hatte. Ich sah zu Lend rüber und wünschte, er würde endlich was tun, endlich was sagen.
Wie zur Antwort auf meine Gedanken stand er auf und streckte mir die Hand hin. »Wollen wir eine Runde spazieren gehen?«
»Klar!« Ich ließ mir von ihm aufhelfen, unsicher, ob ich danach weiter seine Hand halten sollte oder nicht. Aber er ließ nicht los, während er mich nach draußen und den Weg zum Teich hinunter lotste. Auf halber Strecke blieb er abrupt stehen.
»Ich kann nicht –« Seine Züge verzerrten sich zu einem Ausdruck zwischen Wut und Traurigkeit. »Ich kann einfach nicht glauben, dass du es mir nicht gesagt hast. Warum?«
Ich konnte es nicht ertragen, ihm ins Gesicht zu sehen, also studierte ich die Decke aus abgestorbenem Laub auf dem Boden. »Du bist das Wichtigste in meinem Leben, das Beste, was mir je passiert ist. Und irgendwie ist das furchtbar für mich, dass ich dich so sehr liebe. Weil ich schon so oft verlassen worden bin und dich zu lieben bedeutete, dass es wieder passieren würde. Allein der Gedanke, zusehen zu müssen, wie du dich von mir entfernst und zu jemandem wie deiner Mom wirst, der mich nicht mehr lieben kann – ich dachte, es ist leichter, das gleich hinter mich zu bringen. Jetzt bringt es mich noch nicht um, glaube ich zumindest, aber irgendwann später könnte das sehr gut sein. Und es tut mir leid, ich hätte es dir sagen müssen, aber ich dachte, wenn du es nicht wüsstest, könnten wir es irgendwie schaffen. Bei dir hab ich mich immer so warm gefühlt, die Leere vergessen. Das war selbstsüchtig von mir und unfair. Jeder sollte wissen dürfen, was er ist.«
»Evie – du – ARRGH«, stieß Lend hervor und ich sah überrascht zu ihm auf. Er hatte beide Hände zu Fäusten geballt und den Blick zum Himmel erhoben. Nach ein paar Sekunden sah er mich an, die Wut in seinem Gesicht wie ausgelöscht. »Ich bin kein Unsterblicher.«
»Aber ich hab doch gesehen –«
»Ich weiß, was du gesehen hast, und ich bin mir auch sicher, dass du recht hast, aber unsterblich zu sein macht mich noch lange nicht zu einem Unsterblichen. Behandle mich nicht, als wäre ich meine Mom. Sie ist immer so gewesen wie jetzt – sie kann gar nicht anders. Sie wächst nicht, sie verändert sich nicht. Willst du etwa behaupten, ich wäre genauso?«
»Natürlich nicht!«
»Dann tu nicht so, als hätte ich keine Wahl! So ein Leben, so eine Welt hab ich nie gewollt. Und ich weiß, dass ich mich eines Tages entscheiden muss, was ich damit anfange, aber piep, Evie, ich bin doch erst achtzehn! Ich muss mir noch lange Zeit keine Gedanken über die Ewigkeit machen.«
»Aber irgendwann schon.«
Er verdrehte die Augen. »Du tust so, als würde ich schon nächste Woche meine Sachen packen und in den nächsten Fluss hüpfen. Was eine ziemlich blöde Idee wäre, weil ich eine Riesenhausarbeit abgeben muss. Das ist doch gar nicht meine Welt. Die ist hier. Und ich werde mein Leben so führen, wie ich das will. Was bedeutet, meinen Abschluss zu machen und hoffentlich irgendwas in der Kryptozoologie zu bewirken und Kinder zu haben und lächerlich gewöhnlich zu sein, wenn man mal davon absieht, dass ich mich um Paranormale kümmere und meine Gestalt verändern kann. Und das alles, jede einzelne Minute, will ich zusammen mit dem Mädchen erleben, das ich liebe und das mir versprechen wird, mir von jetzt an immer die Wahrheit über alles zu sagen, damit ich endlich mal wirklich für sie da sein kann.«
Ich blinzelte ein paar Tränen weg. Das war genau das, was ich mir zu hören gewünscht, aber nicht zu hoffen gewagt hatte. Aber er wusste das doch alles gar nicht. Wie konnte er sich so sicher sein? »Was, wenn du es dir anders überlegst? Ich weiß nicht mal, wie lange ich noch zu leben habe.«
Er trat einen Schritt vor und schloss so die Lücke zwischen uns, dann lehnte er seine Stirn an meine. »Das einzige Leben, das ich mir vorstellen kann, ist eins mit dir. Ich verstehe nicht, was das für eine Distanz ist, die du da zwischen uns siehst, aber können wir uns nicht irgendwie
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