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Die letzte Zeugin

Die letzte Zeugin

Titel: Die letzte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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1
    Juni 2000
    Elizabeth Fitchs kurzes Aufbegehren als Teenager begann mit L’Oréal Pure Black, einer Schere und einem gefälschten Ausweis. Es endete blutig.
    Sechzehn Jahre, acht Monate und einundzwanzig Tage hatte sie pflichtbewusst die Anweisungen ihrer Mutter befolgt. Dr. Susan L. Fitch gab Anweisungen , keine Befehle. Elizabeth hatte sich nach dem Plan ihrer Mutter gerichtet, das Essen zu sich genommen, das der Ernährungsberater ihrer Mutter zusammengestellt und der Koch ihrer Mutter zubereitet hatte, und die Kleider getragen, die die persönliche Einkäuferin ihrer Mutter ausgewählt hatte.
    Dr. Susan L. Fitch kleidete sich konservativ, wie es ihrer Meinung nach ihrer Position als Chefärztin der Chirurgie im Silva Memorial Hospital in Chicago entsprach. Von ihrer Tochter erwartete sie das Gleiche.
    Elizabeth war eine fleißige Schülerin, die in den akademischen Programmen, die ihre Mutter für sie vorsah, hervorragende Leistungen erbrachte. Im Herbst würde sie nach Harvard zurückkehren, um Medizin zu studieren, damit sie ebenfalls Ärztin werden konnte wie ihre Mutter – Chirurgin wie ihre Mutter.
    Elizabeth – niemals Liz, Lizzie oder Beth – sprach fließend Spanisch, Französisch, Italienisch, hatte passable Russisch- und rudimentäre Japanisch-Kenntnisse. Sie spielte Klavier und Geige. Sie hatte Reisen nach Europa, nach Afrika unternommen. Sie konnte sämtliche Knochen, Nerven und Muskeln im menschlichen Körper benennen und spielte Chopins Klavierkonzerte auswendig.
    Sie hatte noch nie eine Verabredung gehabt oder einen Jungen geküsst. Sie war nie mit anderen Mädchen in der Mall gewesen, hatte nie eine Pyjama-Party besucht oder bei Pizza und Eis mit heißer Karamellsoße mit ihren Freundinnen gekichert.
    Mit ihren sechzehn Jahren, acht Monaten und einundzwanzig Tagen war sie ein Produkt des gewissenhaft und ausführlich geplanten Programms ihrer Mutter.
    Aber das würde jetzt anders werden.
    Sie sah ihrer Mutter beim Packen zu. Susan, die ihre dicken braunen Haare bereits zu dem üblichen Knoten im Nacken geschlungen hatte, hängte sorgfältig ein weiteres Kostüm in den Kleidersack. Anschließend hakte sie es auf dem Ausdruck ab, auf dem jeder Tag der siebentägigen Konferenz in Untergruppen aufgeteilt war. Auf einem Beiblatt waren jeder Event, jeder Termin, jede Sitzung und jedes Essen mit dem entsprechenden Outfit, einschließlich Schuhen, Tasche und Accessoires, aufgeführt.
    Designerkostüme und natürlich italienische Schuhe, dachte Elizabeth. Die Kleidung musste elegant geschnitten und aus einem guten Stoff sein. Aber zwischen all dem Schwarz, Grau und Taupe gab es nicht eine einzige helle, leuchtende Farbe. Sie fragte sich, wie ihre Mutter so schön sein konnte, obwohl sie doch absichtlich immer nur gedämpfte Töne trug.
    Nach zwei verkürzten Semestern auf dem College hatte Elizabeth beschlossen, sie könnte – vielleicht – ihren eigenen Modegeschmack entwickeln. Daraufhin hatte sie sich Jeans und einen Kapuzensweater und Stiefel mit Blockabsatz in Cambridge gekauft.
    Sie hatte bar bezahlt, damit die Sachen, die sie in ihrem Zimmer versteckte, nicht auf der Abrechnung ihrer Kreditkarte auftauchten, wo ihre Mutter sie unter Umständen entdecken könnte.
    Sie war sich darin wie eine andere Person vorgekommen, so anders, dass sie schnurstracks in einen McDonald’s marschiert war und sich ihren ersten Big Mac mit einer großen Tüte Pommes und einem Schokoladenshake bestellt hatte. Es hatte ihr solches Vergnügen bereitet, dass sie anschließend zur Toilette gegangen war, sich in einer Kabine eingeschlossen und ein bisschen geweint hatte. An jenem Tag war vermutlich die Saat der Rebellion in ihr aufgegangen. Vielleicht hatte sie immer schon in ihr geschlummert, und Fett und Salz hatten sie geweckt.
    Und auch jetzt spürte sie, wie sie in ihrem Bauch wuchs.
    »Deine Pläne haben sich geändert, Mutter, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch meine das tun müssen.«
    Susan antwortete nicht gleich, weil sie einen Schuhsack im Koffer verstaute. Sie steckte ihn mit ihren schönen, geschickten Chirurgenhänden fest, deren Nägel perfekt manikürt waren. French Manicure wie immer – auch hier keine Farbe.
    »Elizabeth.« Ihre Stimme war so gepflegt und ruhig wie ihre Garderobe. »Es hat mich beträchtliche Mühe gekostet umzubuchen und dich für dieses Jahr im Sommerprogramm unterzubringen. Dadurch kannst du ein volles Semester früher zur Harvard Medical School zugelassen

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