Leben im Käfig (German Edition)
sie herunter und wartete darauf, dass die Wirkung eintrat und ihn in eine Umarmung aus Watte zog.
Es war ein Fehler und doch die einzig richtige Entscheidung.
* * *
„Fahr vorsichtig. Und wenn es Schwierigkeiten gibt, ruf an. Ich werde heute Morgen eine Runde bügeln und in der Nähe des Telefons bleiben.“
Der Autoschlüssel in Saschas Handfläche wog schwer: „Brauchst du nicht. Aber danke.“
„Schon gut.“ Tanja lächelte durch schmale Lippen. Jeder Dobermann fletschte freundlicher die Zähne.
Er fühlte sich unbehaglich. Sie hatten am Vorabend miteinander gesprochen und Tanja hatte ihm seinen hektischen Aufbruch verziehen oder es zumindest behauptet. Für Andreas' Situation brachte sie Verständnis und Mitgefühl auf. Trotzdem war sie seit dem Frühstück kühl und wortkarg.
Sascha wurde das Gefühl nicht los, dass er schon wieder etwas falsch gemacht hatte. Entsprechend zögernd wandte er sich von ihr ab und ging in Richtung Haustür. Sein Kopf war ein wenig zu voll für seinen Geschmack.
Hatte seine Mutter Tanja angerufen und sich über ihn beklagt? War seine Tante böse mit ihm? Schon wieder?
Er hätte sich eher die Zunge abgebissen, als es zuzugeben, aber ihm war mit einem Mal sehr nach Harmonie zumute. Nach Leichtigkeit, sorglosem Leben und unbeschwertem Genuss seiner neuesten Erfahrung in Sachen Gefühle. Er fand es ein bisschen ungerecht, dass er ausgerechnet in diesen Tagen von so viel Chaos heimgesucht wurde. Er mochte das Gefühl nicht, nirgendwo richtig zu Hause zu sein.
Unstet mit dem Schlüssel spielend drehte er sich noch einmal um und sah seine Tante im Flur stehen. Eine tiefe Falte verunstaltete ihre Stirn.
Seufzend nahm er seinen Mut zusammen – in letzter Zeit war er häufiger dazu gezwungen, sich am Riemen zu reißen – und sagte: „Wenn du sauer bist, sag was.“
Es klang aggressiv und pampig. Wie der Protest eines Katers, den man gegen den Strich gebürstet hatte.
„Sauer?“, wiederholte Tanja aufrichtig überrascht. Sie kam einen Schritt auf ihn zu: „Wie kommst du darauf?“
„Du bist kalt wie 'ne Hundeschnauze“, ignorierte Sascha das Mienenspiel im Gesicht seiner Tante. „Hat Mama angerufen und dir erzählt, was ich für ein schrecklicher Mensch bin?“
Wie er so etwas hasste. Erst lange Zähne machen und ihn schief von der Seite ansehen und dann so tun, als wäre nichts gewesen.
Tanja stemmte eine Hand in die Hüfte und musterte ihn von oben bis unten: „Wenn du Streit suchst, muss ich dir sagen, dass ich leider nicht mitspiele. Ich weiß, dass die letzte Woche nicht einfach für dich war, aber lass deine Launen nicht an mir aus, comprende?“
„Wieso ich?“, rief Sascha und fühlte sich mit einem Mal unbehaglich. „Ich bin es doch nicht, der komisch guckt und kein Wort sagt.“
„Nein, aber du bist der, der verbiestert ist“, entgegnete Tanja trocken. „Aber um deine Frage zu beantworten: Ja, Karen hat angerufen und nein, ich halte dich nicht für einen schlechten Menschen. Und wenn du mal die Scheuklappen abnehmen würdest, würdest du merken, dass ich mir lediglich Sorgen mache.“
„Sorgen?“
„Natürlich, was denkst du denn? Du willst heute Morgen etwas tun, was kein anderer je für Andreas von Winterfeld getan zu haben scheint. Glaubst du, das wird leicht? Ich finde es toll von dir, dass du das auf dich nimmst. Gerade weil ich weiß, dass das Wochenende ... na, aber lassen wir das. Kurz: Du bürdest dir ganz schön viel auf. Was, wenn etwas schief geht? Du weißt doch gar nicht, wie Andreas reagieren wird.“
„Er wird mich schon nicht beißen“, wich Sascha aus, konnte jedoch nichts dagegen tun, dass die latente Nervosität in seinem Bauch zu etwas Größerem heranwuchs.
Er hatte Tanja nicht gesagt, wie er für Andreas empfand oder dass sie miteinander ins Bett gingen oder dass sie zusammen waren. Er war noch nicht bereit, dieses Wissen mit jemandem zu teilen, der ihm räumlich so nah war. Ja, bei Katja war es etwas anderes gewesen und selbst bei ihr hatte er mit Details gespart. Er wollte nicht, dass ihr Beisammensein verurteilt wurde.
Tanja zuckte die Schultern: „Wer weiß? Ich kann dich nicht daran hindern und will es auch gar nicht. Aber Sorgen mache ich mir trotzdem. Hey, ich bin ein Muttertier. Schon vergessen?“
„Ne“, knurrte Sascha.
Prima, jetzt hatte er ein schlechtes Gewissen. Da machte sich schon mal jemand Gedanken, aufrichtige Gedanken, und er ging sofort in die Luft. Aber was erwartete sie von
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