Leben im Käfig (German Edition)
für mich und berät sich mit dem Pfarrer über meine pubertären Entgleisungen. Mein Vater schnallt wie immer gar nichts, aber stellt sicher, dass ich nicht auf der Straße lande. Das ist immerhin schon mal etwas. Ach so, und der Typ, wegen dem der ganze Ärger angefangen hat, ist mittlerweile von der Dorf-Community gehirngewaschen worden und mit der Kampflesbe vor dem Herrn zusammen.“ Er unterbrach sich kurz, um zu vertuschen, wie dünn seine Stimme geworden war. „Ich fahre da nicht mehr hin. Ich gehöre da nicht mehr hin.“
Fieberhaft überlegte Andreas, was er dazu sagen sollte. Wenn man ihn fragte, klang das reichlich trostlos und sehr brutal.
Schrecklich, wie manche Eltern mit ihren Kindern umsprangen. Dabei war Sascha der großartigste Mensch, den er kannte. Gut, vielleicht sagte das nicht viel, weil sein Bekanntenkreis eher bescheiden war.
„Du gehörst hierher“, sagte er schließlich leise und wurde rot dabei.
Sascha nickte stumm.
Allmählich wurde es kühl und Andreas hatte mit sich zu kämpfen. Hölle, sie lagen nackt nebeneinander und das letzte Vergnügen war bestimmt 45 Minuten her. Viel zu lange. Sie waren sich eindeutig nicht nah genug. Schließlich zog er spielerisch an Saschas Haaren, bis dieser aufsah. Andreas lockte ihn mit dem Zeigefinger zu sich und rollte sich auf ihn, kaum, dass sein Freund neben ihm lag.
Zu zweit war es gleich viel wärmer und inniger. Er mochte das Gefühl von Saschas Armen um seine Hüften. Mal sehen, ob Andreas ihn auch so gut vergessen lassen konnte wie anders herum.
Bereit, zu neuen Ufern aufzubrechen, schob er das Gesicht an Saschas Hals und küsste ihm eine feuchte Spur auf die Kehle. Gleichzeitig drängte er sein halbsteifes Glied an ihn und brummte zufrieden, als er eine Gegenbewegung spürte.
„Was wird das denn?“, grinste Sascha ungleich besser gelaunt als noch vor wenigen Minuten, aber doch mit einem bitteren Zug um den Mund. Er sah aus wie jemand, der dringend Aufmunterung gebrauchen konnte. Aufmunterung und das Gefühl, willkommen zu sein.
„Keine Ahnung“, zuckte Andreas die Achseln und lächelte. „Mal sehen, was mir so einfällt.“
Die erste Idee waren eine Reihe träger Küsse, gefolgt von allem, was sich gut anfühlte und sie von finsteren Gedanken ablenkte.
Kapitel 32
Wie eine Wolldecke ... eine warme, dunkelblaue Wolldecke, die nach ihm riecht. Aber es ist nicht genug.
Nervös sah Andreas dabei zu, wie sein Atem auf der kalten Fensterscheibe kondensierte.
Der Garten lag im Schatten der hohen Baumriesen. Das Licht einer einzelnen Straßenlaterne drängte sich um die Ecke der Villa und spiegelte sich im Wasser des Pools. Die Nacht klebte an seinem Geist wie die Fäden eines überdimensionalen Spinnennetzes.
Es half. Zu wissen, dass Sascha ihn begleiten würde, tat gut. Aber es reichte nicht, um ihn schlafen zu lassen oder das Beben aus seinen Fingern zu verbannen. Eine Wolldecke war etwas Schönes, aber sie hatte nicht die Macht, die Kälte der Arktis zu vertreiben.
Er hatte Angst. Furchtbare Angst.
Davor, erneut das Haus verlassen zu müssen. Davor, dass die Untersuchung ein Ergebnis mit sich brachte, das zu weiteren Terminen führte. Davor, dass er wieder Schmerzen erdulden musste. Davor, sich vor Sascha bis auf die Knochen zu blamieren und nicht genug Kraft zu haben, sich zusammenzunehmen.
Dankbar war er dennoch. Weil es nicht selbstverständlich war, dass sich jemand mit seinem verrückten Wesen auseinandersetzte. Kein Taxi mit einem fremden Fahrer, keine lange An- und Abreise in einem stinkenden Wagen und das gute Gefühl, nicht allein zu sein. Das alles war sehr kostbar für Andreas.
Oder zumindest wollte er sich das einreden. Aber so sehr er versuchte, sich mithilfe eines Walls aus Rationalität gegen seine Angst abzuschirmen, so wenig gelang es ihm. Die Panik brandete wie Lava gegen seine Schutzmauern und drohte sie zu überwinden.
Dabei sollte man meinen, dass er nach dem Nachmittag an Kraft gewonnen hätte.
Andreas lehnte den Kopf gegen den Fensterrahmen und versuchte, die verblassenden Empfindungen wieder in sich wach zu rufen. Die langen, trägen Küsse, die an Leidenschaft zunahmen und sie verschlangen. Die halb gegähnten, halb gemurmelten Worte zwischendurch. Saschas grollendes Lachen, als Andreas sich auf ihn warf und unter den Armen kitzelte. Der eigentümliche Geruch direkt an Saschas Schulter, von dem er sich magisch angezogen fühlte. Das Gefühl eines anderes Körpers, der für ihn gemacht
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