Leben im Käfig (German Edition)
ich möchte ... und das tut doch sonst keiner ... meine Eltern haben mir Geld geschenkt ... dass ich nicht ausgeben kann ... und einen PC, den ich selbst zusammengebaut habe ... ich wollte nur einmal, mir etwas wünschen ... und dann ... nein ... Party ... und dann war's aus. Wieder nichts.“
„Du hast gedacht, es ist mir egal, oder?“
„Ja ... nein ... ich ... wenn du weißt, dass ... oh Gott.“ Andreas schloss die Augen. „Ich habe das noch nie ... jemanden gesagt, aber manchmal ... bin ich ein ziemliches Schwein. Weil manchmal denke ich, dass ... sie mich ganz schön hängen lassen. Dabei haben sie doch so viel zu tun und so viel Stress und es ist nicht ihre Schuld ... aber dann denke ich, dass irgendwie etwas nicht richtig läuft. Aber es war doch immer so ... Sie geben mir doch alles, was ich brauche, aber dann ... fühle ich mich trotzdem so ... allein. Schwach.“
Über Saschas Körper wanderte eine Gänsehaut. Andreas' kaum vorhandenes Selbstwertgefühl gruselte ihn.
Da war dieser Junge, dem man eine Behandlung verweigerte, obwohl er schwer krank war, den man dauernd allein ließ, um den sich niemand kümmerte, der sich klein machte, um keinen Ärger zu verursachen, und begriff nicht, dass er jedes Recht hatte, seine Eltern zu kritisieren.
Sascha fühlte sich Andreas plötzlich sehr nah. Gott, er verstand ihn. Das hätte er sich nicht träumen lassen, aber dank der Erfahrungen der letzten Tage und Stunden verstand er genau, was Andreas empfand.
„Verloren“, bot er seinem Freund leise an.
„Ja ... und schutzlos. Da ist nie jemand ...“
„Wertlos.“
„Nicht gut genug. Nie gut genug ... für gar nichts.“
„Ungeliebt.“
„Ja.“
Und dann begriff Andreas, dass es kein Zufall war, dass Sascha seine Gedanken zu lesen schien und in Worte fasste, was er sich lange Jahre verboten hatte zu denken. Sie sahen sich an, erschüttert und tief bewegt in ihrer Erkenntnis, dass sie sich hier und heute sehr ähnelten.
Beide waren innerhalb ihrer Familie verloren und hatten die Erfahrung gemacht, den Anforderungen nicht zu genügen. Noch immer pochten die Worte seiner Mutter in Saschas Brust und vergifteten jeden Herzschlag. Andreas hatte recht. Sie waren nicht gut genug. Sie erfüllten die Erwartungen nicht.
„Ich bin froh, dass du da bist“, murmelte Andreas leise. Es waren die ersten Worte seit Beginn des Gespräches, die sich nicht anhörten, als würden sie ihm mit einer Zange aus dem Rachen gezerrt. „Aber. ... wegen der Party ... du hast doch nicht abgesagt, weil ...“
So viel zum Thema Vertrauen. Bekümmert schüttelte Sascha den Kopf.
Vermutlich musste Andreas es hören und würde es selbst dann nur schwerlich glauben: „Ich habe mich überreden lassen, weil Isa mir die Pistole auf die Brust gesetzt hat. Aber ich habe nicht aus Mitleid abgesagt. Ich möchte Silvester mit dir verbringen. Vorher schon und jetzt erst recht.“
Das schien Andreas für den Moment zu reichen, denn er ließ von dem Thema ab und fragte schüchtern: „Kann ich ... was ... erzählst du mir, was passiert ist?“
„Ja, aber nicht jetzt“, erwiderte Sascha sofort. Er konnte nicht mehr. „Ich möchte einfach nur ... runterkommen und hier sein und froh sein und ...“
„Verstehe ... aber hast du auch das Gefühl, dass es ... sag mir, ob ich normal bin ... tut es dir auch so weh?“
Sascha lächelte traurig: „Es bringt mich um.“
Auf einmal war Andreas um ihn, halb auf ihm. Sascha spürte die Arme, die sich um ihn schlangen und unter ihm Platz suchten, die ihn gegen ein weißes Unterhemd drückten, das sich auf weicher Haut bewegte.
Er keuchte. Die Berührung war ein Schock, der als zischende Elektrizität durch seine Gliedmaßen schoss und den Kurzschluss im Gehirn verursachte, nachdem er sich sehnte. Vergessen.
Hitze bildete sich unter der Bettdecke. Schweiß rann über seine Haut, als sie sich aneinanderdrängten. Nicht bereit waren, sich loszulassen, obwohl die Luft um sie herum stickig wurde.
Sascha war heiß. Er erlebte die schwindelerregenden Schauer, die während einer Grippe mit Fieber und Schüttelfrost einhergingen. Hinter seinen Schläfen pochte der Schmerz, seine vom Weinen geschwollenen Augen brannten wie Feuer. Er war ganz Körper, empfand jede Berührung intensiver als je zuvor. Wand sich, presste sich an Andreas, biss in sein Ohr und schlang die Beine um ihn, als sich Lippen an seinem Hals festsaugten und seine Haut aufs Äußerste reizten.
Verzweiflung erfüllte ihr kleines Zelt,
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