Leben im Käfig (German Edition)
Stunden anruft und Tanja anfaucht.“
„Nein, das letzte Mal hat er ihr den Hörer aus der Hand genommen und aufgelegt.“
„Siehst du, alles gut. Mehr Pralinen?“
Ohne auf eine Antwort zu warten, öffnete Andreas den Kühlschrank und angelte nach einem mit weißer Schokolade überzogenem Stück Sünde. Sacht schob er die Praline in Saschas Mund und streichelte anschließend mit dem Daumen seine Lippen. Er konnte sich diese Geste nicht verkneifen. Sonst platzte er vor Liebe.
Gott, er hatte nicht geahnt, dass man jemanden so lieben konnte. Es war ihm unheimlich, aber es war wunderschön. Ein glänzender Rettungsanker, der nicht nur stabilisierte, sondern auch Sinn schenkte. Ein bisschen erschrocken über die Klarheit seiner eigenen Gedanken verkniff Andreas den Mund, damit er nichts sagte, was er später bereute. Verspielt glitt er durch Saschas schwarzen Haaransatz, rieb eine kleine Erhebung an der Stirn, an der vor einer Woche noch ein Pickel geblüht hatte.
„Ich bin immer noch müde“, gestand Sascha, nachdem er geschluckt hatte. „Ich wünschte, ich wäre ein Eisbär und könnte Winterschlaf halten.“
„Für einen Eisbär fehlt es dir aber an Fett“, zog Andreas ihn liebevoll auf. „Du würdest verhungern.“
Sascha lächelte schwach: „Du würdest mich schon zwischendurch füttern.“
Es war nur ein Scherz, aber das Vertrauen, das wie süßer Honig aus diesen Worten quoll, machte Andreas glücklich. So glücklich, dass er nichts zu erwidern wusste.
„Gib mir ein paar Stunden“, bat Sascha. „Du musst dich auch nicht dazu legen. Ich möchte einfach schlafen und nicht denken müssen. Und danach ... Pizzaschlacht, die Herr-der-Ringe-Trilogie, Bier und hinterher Sex. Was hältst du davon?“
Davon hielt Andreas eine Menge. Als sie in sein Zimmer gingen, lag sein Arm besitzergreifend um Saschas Hüfte. Er wollte ihn nicht loslassen. Nie wieder.
* * *
„Dom Perignon Vintage aus dem Jahr 2000. Ich habe keine Ahnung, ob er schmeckt. Aber er ist teuer und damit passt er zu Silvester.“
Sascha grinste schief.
Andreas stand mit ausgebreiteten Armen - die mattschwarze Flasche in der linken Hand - und freiem Oberkörper vor dem Bett; innerlich glühend und entspannt, wie er ihn selten zuvor erlebt hatte. Er wusste nicht, woher sein Freund in diesen Tagen das nach außen abstrahlende Leuchtfeuer nahm, wusste nicht, wie er die Kraft dafür aufbrachte nach den niederschmetternden Feiertagen.
Es kam Sascha vor, als würde Andreas sich in Windeseile regenerieren. Als würde er die Zurückweisung seitens seiner Eltern in Rekordgeschwindigkeit abstreifen wie ein gut trainierter Läufer, der nach dem Marathon innerhalb kürzester Zeit Atmung und Herzschlag beruhigen konnte.
Sascha war fasziniert, doch ein Teil von ihm fand diese Befähigung schrecklich. Vielleicht, weil er sie selbst nicht besaß und nicht in der Lage war ...
Nein, nicht heute Abend.
„Sekt?“, fragte er und setzte die Füße flach auf die Matratze.
Sein übervoller Magen dankte ihm die aufgestellten Beine. Ivana hatte mit Leidenschaft und Finesse für sie gekocht, sodass ihm selbst jetzt noch das Wasser im Mund zusammenlief. Ohne nach ihren Vorstellungen zu fragen, hatte sie ihnen ein Silvesteressen kredenzt, das seinesgleichen suchte und vor allen Dingen ohne Messer und Gabel verzehrt werden konnte.
Würzige Kartoffeltaschen, scharf marinierte Chicken Wings, Mini-Quiches, Specktörtchen in Muffin-Form, Herzogin-Kartoffeln mit Sahnesosse, mit Käse überbackene Blumenkohlröschen, die so geschickt auf dem Tablett angerichtet lagen, dass man sie mit den Fingern aufnehmen konnte. Hinterher eine mit Äpfeln und Amaretto versetzte Mascarpone-Creme, die Saschas Vorstellung vom Himmel sehr nahe kam.
Kurz, sie waren satt und hatten den ersten Höhepunkt des Abends gut überstanden. Dabei warteten noch Unmengen Knabbereien auf sie.
„Kein Sekt“, entrüstete Andreas sich und ließ sich neben Sascha aufs Bett fallen. „Champagner natürlich. Sekt gibt es in diesem Haushalt höchstens, wenn Ivana ihn zum Kochen braucht. Mit Kleinigkeiten geben wir uns nicht zufrieden.“
„Möchte ich wissen, was das Gesöff kostet?“
Sascha musste schlucken, als Andreas neben ihm die Haare zurückschüttelte und gelassen die Schultern zuckte: „Ein paar hundert Euro oder so. Frag mich etwas Leichteres.“
Mit aufgestützten Armen, die seine wohldefinierten Bauchmuskeln zur Geltung brachten, einem gelassenen Gesichtsausdruck und der
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