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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Zukunft. In Gedanken tat er sich selbst Gewalt an, um möglich zu machen, dass er nichts mehr fühlte.
     
    Kapitel 47
     
    Es funktionierte recht gut – das Vergessen, das Ablenken, das Die-Augen-so-fest-verschließen-bis-Blut-kommt -, bis Andreas einen Tag später unten die Tür gehen hörte. Die Stimme seines Vaters, die in den letzten Tagen mehr und mehr an Substanz verloren hatte, drang leise zu ihm herauf; gefolgt vom aufgesetzt-höflichen Singsang Saschas.
    Die Verletzung vom Vortag war präsent in Andreas' Kopf. Noch immer konnte er die Fremde und seinen Freund durch den Garten toben sehen, als wären die Bilder auf die Innenseite seiner Augenlider tätowiert worden. Noch immer spürte er das Aufwallen der Eifersucht, den mit jeder Sekunde an Intensität zunehmenden Schmerz, der von zahlreichen Quellen gespeist wurde.
    Letztendlich ging es um mehr als Eifersucht.
    Es ging um das Gefühl, allein gelassen worden zu sein. Es ging um Neid, weil er es sein wollte, der befreit durch den Garten sprang. Ob mit Sascha, der Fremden oder allein war dabei nicht von Belang. Frei sein. Bewegungsfreiheit genießen.
    Und es ging darum, dass er in den letzten Tage wie ein verhungernder Löwe an Telefon und Mailbox entlang geschlichen war. Darauf wartend, dass ihn ein freundliches Wort erreichte, das ihm Kraft für den nächsten Tag gab. Etwas, das ihn daran erinnerte, dass er mit seinen verrückten Eltern nicht allein war.
    In Andreas' Papierkorb lag ein halbes Dutzend handschriftlicher Briefe. Einige zu Kugeln zusammengeknüllt, andere zerrissen. Keinen Brief hatte er beendet.
    Die Anfänge variierten von „Hallo, Sascha“ über „Hey, Arschloch“ bis zu „Was habe ich dir denn getan“.
    Er hatte nicht gewusst, was er schreiben sollte. Sollte er tun, als hätte er nichts gesehen? Sollte er vorsichtig fragen, wer die Fremde war? Sollte er Sascha Vorwürfe machen, die am Ende allesamt danach klangen, dass Andreas dessen Freizeit regulieren wollte?
    Es gab keinen Weg, sich verständlich zu machen, ohne dass er falsch verstanden wurde.
    Aber das Thema Brief war eh gegessen, denn er konnte Sascha die Treppe heraufkommen hören. Andreas atmete tief durch. Er würde nichts sagen. Er würde so tun, als wäre nichts vorgefallen. Immerhin war Sascha jetzt da, nicht wahr? Nach einer Woche erst, aber immerhin.
    Verdammt, nach einer Woche, brüllte sein innerer Giftzwerg. D as hat es nie gegeben! Da stimmt doch etwas nicht.  
    Aber Andreas durfte nicht auf diese Einflüsterungen hören. Er wollte es nicht! Stattdessen schwor er sich, sich mit dem zufriedenzugeben, was er bekommen konnte. Wie wenig es auch sein mochte.
    Seltsamerweise war das Erste, was ihm auffiel, als Sascha das Zimmer betrat, dass dessen Haare nicht mehr schwarz waren. Sie waren leicht ausgeblichen und hatten einen Rotschimmer angenommen, der Ansatz war braun. Sie sahen weich aus. Weich und ein wenig wild.
    Ein lüsternes Lächeln spielte um Saschas Lippen, als er die Tür hinter sich verschloss und auf Andreas zukam: „Hey, da bin ich.“
    Es klang, als wären sie verabredet gewesen. Waren sie nicht. Sascha war nur davon ausgegangen, dass Andreas hier sein und auf ihn warten würde. Wie immer. Die Wahrscheinlichkeit, dass sein Besuch ins Leere lief, war unwahrscheinlich, wie sie beide wussten.
    „Hallo“, murmelte Andreas und fragte sich hektisch, wie er es schaffen sollte, sich nichts anmerken zu lassen. Wie gab man vor, dass alles beim Alten war, wenn man seine Enttäuschung wie Radioaktivität abstrahlte?
    „Mann, ist das schön, dich zu sehen“, schnurrte Sascha, wenn auch mit einem abgehetzten Unterton. Es klang fürchterlich. Andreas schauderte. „Ich habe gelernt wie ein Verrückter, um heute Zeit zu haben. Und viel habe ich nicht. Ich habe Brain versprochen, ihm nachher mit seiner Kiste zu helfen. Komm.“
    Leidenschaftlich presste er die Lippen auf den Mund seines Freundes, während er gleichzeitig an dessen Hose zog, um ihn in Richtung Bett zu bugsieren. Andreas' Hände und Mund folgten dem Angriff. Seine Gliedmaßen wollten sich nicht von seinem Unterbewusstsein beeindrucken drucken, das sämtlichen Sirenen eingeschaltet hatte und heulend und jaulend Alarm gab.
    Andreas fasste zu, strich über Saschas Rücken und ließ es geschehen, dass seine Lippen von einer neugierigen Zunge aufgeschoben wurden.
    Doch der Rest seines Körpers folgte nicht, machte sich steif und begann milde zu zittern. Wie war das? Sascha war später noch verabredet? Es war

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