Ein Mann fuer Mom
I
Der Mann hinter dem Schreibtisch sah den Jungen, der ihm gegenübersaß, mit einer Mischung aus Neid und Bewunderung an. Mit seinen gerade zwölf Jahren hatte der ein Köpfchen, für das viele glatt einen Mord begehen würden. Ich darf nicht zu interessiert wirken, dachte er, muß ganz gelassen bleiben. Wir wollen ihn in Princeton haben: an einen Computer gekettet, und das möglichst ohne Mittagspause.
Angeblich hatte man ihn nach Denver geschickt, um etliche Kandidaten für Stipendien einer genaueren Prüfung zu unterziehen, aber in Wirklichkeit war dieser Junge der einzige, an dem das Zulassungsbüro Interesse hatte. Der Dekan der Fakultät hatte alte Bekannte gebeten, kurzfristig für Räumlichkeiten in der Nähe des Elternhauses des Jungen zu sorgen, damit der problemlos mit dem Fahrrad dorthin kam.
»Ähem«, machte er, räusperte sich und blickte stimrunzelnd in seine Unterlagen. Er senkte die Stimme. Es war besser, wenn der Junge nicht wußte, daß er erst fünfundzwanzig war und ernste Schwierigkeiten mit seinen Studienberatern bekommen würde, wenn er seine Aufgabe verpatzte.
»Du bist noch reichlich jung«, sagte der Mann und versuchte so alt und abgeklärt wie möglich zu klingen, »dadurch werden ein paar Probleme auftauchen, aber ich denke, daß wir da schon eine Lösung finden können. Princeton hat es sich schließlich immer zur Aufgabe gemacht, jungen Amerikanern zu helfen. Und... «
»Über welche Ausstattung verfügen Sie? Womit werde ich arbeiten können? Ich habe auch Angebote von anderen Universitäten. «
Der Mann blickte den Jungen an und wünschte sich, irgend jemand hätte ihn bereits in der Wiege erdrosselt. Dieser undankbare kleine... »Ich bin davon überzeugt, daß dich unsere Lern- und Arbeitsbedingungen überzeugen werden. Und was wir nicht haben, können wir jederzeit beschaffen. «
Der Junge war hochaufgeschossen für sein Alter und sehr dünn. Obwohl eins der schlauesten Kerlchen des Jahrhunderts, sah er aus wie Tom Sawyer entsprungen: mittelblonde Haare, die kein Kamm bändigen konnte, Sommersprossen auf einer Haut, die nur schwer bräunte, und dunkelblaue Augen hinter Brillengläsern von einer Stärke, die gut und gern als Windschutzscheibe eines Mack-Lasters dienen könnte.
Er hieß Elijah J. Harcourt. Und besaß einen IQ von mehr als 200. Hatte viel Aufsehen durch die Entwicklung eines Computers erregt, der »denken« konnte. Künstliche Intelligenz. Man sagte dem Gerät, welches Problem man lösen wollte, und die Maschine erledigte das für einen. Jedermann ging davon aus, daß der Junge sein eigenes Wunderhirn zur Grundlage des Rechners gemacht hatte. Die Nutzungs- und Anwendungsmöglichkeiten eines solchen Geräts waren atemberaubend.
Und jetzt saß dieses selbstgefällige Bürschchen vor ihm und war keineswegs dankbar für das, was man ihm bot, sondern verlangte noch mehr. Der Mann wußte, daß er damit seine weitere Laufbahn riskierte, aber er konnte das Zögern des Jungen nicht mehr ertragen. Er stand auf und schob seine Unterlagen in die Aktentasche zurück. »Vielleicht solltest du über unser Angebot nachdenken«, sagte er mit kaum beherrschter Verärgerung. »Wir machen derartige Offerten nicht gerade häufig. Kann ich davon ausgehen, daß du dich bis Weihnachten entschieden haben könntest? «
Der Junge zeigte keinerlei Emotionen. Kalte kleine Kröte, dachte der Mann. Hart wie ein Computer-Chip. Vielleicht war er gar nicht real, vielleicht war er nur seine eigene Erfindung. Den Jungen abzuwerten, gab ihm ein besseres Gefühl im Hinblick auf seinen eigenen Intelligenzquotienten, der »nur« 122 betrug.
Schnell schüttelte er die Hand des Jungen und wurde sich dabei bewußt, daß der in spätestens einem Jahr größer sein würde als er selbst. »Wir bleiben in Kontakt«, sagte er und verließ den Raum.
Eli bemühte sich sehr, sein inneres Zittern zu beherrschen. So kühl er äußerlich wirkte, so aufgewühlt war er innerlich. Princeton, dachte er. Kontakt zu richtigen Wissenschaftlern. Er könnte sich mit Leuten unterhalten, die mehr vom Leben erwarteten als die neuesten Football-Ergebnisse.
Langsam ging er zur Tür, ließ dem Mann genügend Vorsprung. Eli war klar, daß der Mann ihn nicht mochte, aber so etwas war er gewohnt. Schon vor langer, langer Zeit hatte Eli gelernt, sehr vorsichtig im Umgang mit anderen Menschen zu sein. Mit drei Jahren wußte er, daß er »anders« war als andere Kinder. Mit fünf hatte ihn seine Mutter zur Schule gebracht, um
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