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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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an der kühlen Scheibe ruhend, das andere Bein locker an der kalten Heizung nach unten hängend. Von hier aus konnte man die Elbe sehen und ein vages Gefühl von Freiheit genießen.
    Aber er machte sich nichts vor. Er saß nicht hier, weil er die Geborgenheit der festen Wände suchte. Auch, wenn er sich dafür halb schämte, beobachtete er das Nachbarhaus. Nein, er wollte nicht Saschas Leben ausspionieren. Es ging ihm auch nicht darum, einen winzigen Blick auf den für ihn perfekten Körper des Schwarzhaarigen zu werfen. Er hoffte mit ansehen zu können, wie Sascha aus dem Haus kam, um auf die Villa zuzusteuern.
    Ein wenig lächerlich war sein Benehmen schon. Ob er nun mit Argusaugen die Terrassentür der Holmes anstarrte oder nicht, würde nicht beeinflussen, ob Sascha sich zu einem Besuch entschloss. Er wollte den entscheidenden Augenblick nur nicht verpassen.
    Fast 48 Stunden waren seit ihrer letzten Begegnung und ihrem Gespräch vergangen. Andreas war lediglich am Morgen an seinem Computer gewesen und während dieser Zeit war Sascha nicht online. Natürlich nicht. Man musste schon sehr viel Langeweile haben, wenn man im Hochsommer und in den Schulferien um zehn Uhr in der Frühe Computerspielen frönte.
    Instinktiv wollte Andreas permanent online sein, um sicherzustellen, dass sie sich nicht verpassten. Dass er es nicht war, war zum größten Teil eine rationale Entscheidung. Er wollte nicht hinter Sascha herhecheln wie ein Rüde hinter einer läufigen Hündin. Das wäre viel zu auffällig und verräterisch gewesen. Zum Teil fürchtete er allerdings auch, sich zu blamieren. Er wollte nicht, dass Sascha ihn für noch erbärmlicher hielt, als er es schon tat.
    Nichtsdestotrotz vermisste Andreas den neuen Freund. Gestern hatte er damit noch halbwegs leben können, denn das Familienessen und der anschließende Streit zwischen seiner Mutter und dem Großvater hatten ihn abgelenkt. Heute aber war er rastlos und traurig, obwohl er es nicht wollte.
    Fühlte sich so ein kalter Entzug an? Er verstand das Wirrwarr im Labyrinth seiner Seelenlandschaft nicht. Jahr um Jahr hatte er ohne Kontakte nach außen gelebt, bis er glaubte, dass das Beisammensein mit Freunden ihn genauso ängstigte wie das eigentliche Verlassen der Villa. Zu merken, dass er abgesehen von anderen Reizen hervorragend Saschas Anwesenheit ertragen und sogar genießen konnte, war für ihn eine Überraschung gewesen. Oder genoss er die Besuche, gerade weil sie Schindluder mit seiner Libido trieben? Weil er zu aufgeregt war, um sich mit anderen Problemen zu beschäftigen?
    Was das anging, sollte er wohl froh sein, dass Sascha sich nicht rührte. Seitdem sie sich begegnet waren, leisteten Andreas' Hormone Überstunden. Er war neunzehn Jahre alt und damit auf dem Höhepunkt seiner sexuellen Leistungsfähigkeit. Außerdem war an der Bemerkung, dass Männer nicht gleichzeitig denken und scharf sein können, in seinem Fall durchaus etwas dran. Wenn er Spaß mit sich selbst hatte, glitt alles andere beiseite, was ihm insofern zweifache Erleichterung bescherte.
    Doch was mit ihm vorging, seitdem er Sascha kannte, war so extrem, dass es schon fast wieder lustig war.
    Bei jeder Begegnung fielen Andreas neue optische Reize auf, die ihn später bis in die Nacht verfolgten. Er machte sich keine Hoffnung und arrangierte sich mit der Gewissheit, dass Sascha sein Interesse nie erwidern würde. Er nahm sich das, was er bekommen konnte und hoffte, dass der Freund nie erfahren würde, was Andreas durch den Kopf ging, wenn er alleine im Bett lag. Das war in Ordnung für ihn. Es war viel mehr, als er vorher je gehabt hatte. Ein bisschen schuldig fühlte er sich trotzdem.
    Und jetzt brauchte er seinen nächsten Schuss. Nicht zwingend den Anblick von tief sitzenden Jeans auf einem schmalen Becken, sondern die Gesellschaft. Das gemeinsame Lachen, das verbissene Kämpfen an der Spielkonsole und das wohlige Schweigen beim Fernsehen.
    Der Hunger danach war so groß, dass Andreas mit dem Gedanken spielte, ins Wohnzimmer zu gehen und dort seinen Eltern Gesellschaft zu leisten. Leider gab es da zwei Haken: Zum einen wären seine Eltern vor Schreck tot umfallen, wenn er sich zu ihnen gesetzt hätte und zum anderen waren sie eh noch nicht daheim.
    „Scheiß drauf“, murmelte er unzeremoniell. „Es ist spät genug, es ist zwei Tage her. Warum nicht online gehen und nachsehen, ob er da ist? Wenn er schlau ist, ist er eh in der Stadt unterwegs und macht Party.“
    Bei diesem Gedanken

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