Leben im Käfig (German Edition)
spielten mit ihren Feuerzeugen.
„Hallo“, tippte ihm jemand von hinten auf die Schulter. Überrascht sah er sich um und bemerkte ein zierliches Mädchen, das ihn strahlend anlächelte. Sie war mehr als einen Kopf kleiner als er und schielte mit langen Wimpern zu ihm hoch. Hübsch im eigentlichen Wortsinn war sie nicht, aber sie strahlte eine gewisse Herzlichkeit aus, die Sascha mochte.
„Hey“, runzelte er die Stirn und fügte hinzu: „Du bist in meinem Kurs gewesen, oder?“ „Genau, und du hast dich ja gleich richtig beliebt gemacht“, lachte sie vergnügt. „Aber mach dir nichts daraus. Die alte Ziege kann niemanden leiden. Und glaub mir, das beruht auf Gegenseitigkeit.“
„Sollte mich das beruhigen oder mir eher Angst machen?“ Sascha grinste. Die Kleine war nett. Schön, dass es Leute gab, die es einem von Anfang an leicht machten.
„Weder noch, du weißt doch, wie das ist. Bellende Hunde beißen selten.“ Sie kräuselte die Nase. „Ich bin übrigens ...“
Bevor sie sich vorstellen konnte, näherten sich ihnen drei lässig wirkende Jungen. Einer von ihnen rief lauthals: „Ey, Isabell, lässt du wieder Mutter Theresa heraushängen und kümmerst dich um unser Küken?“
Einer von ihnen – ein hässlicher Quadratschädel in Baggy Pants – machte ein gackerndes Geräusch und flatterte mit den Armen. Sascha sah wesentlich mehr von der Unterhose des wenig attraktiven Jungen, als ihm recht war.
„Haltet doch die Klappe, ihr Idioten“, fauchte Isabell mit einem Mal gar nicht mehr freundlich. „Lass dich nicht von denen nerven. Ich weiß echt nicht, wie die es bis in die Oberstufe geschafft haben.“
„Na na na, wer wird denn gleich zickig werden?“, lachte ein aalglatter Typ und näherte sich ihnen mit wiegenden Schritten. „Wir möchten unseren neuen Kumpel doch nur begrüßen.“ Abschätzig traten sie dicht an Sascha heran und betrachteten ihn von oben bis unten, bevor der Baggy Pants-Träger grinste: „Und ihn fragen, woher er seine Klamotten hat.“
„Du wirst es nicht glauben, aus einem Laden“, entgegnete Sascha gelassen. „Hast du ein Problem damit?“
„Ich? Aber nicht doch“, entgegnete der fremde Junge süßlich. „Es gibt hier nur Leute, die es gar nicht mögen, wenn Kerle eine Modenschau veranstalten. Das passt nicht zu uns, du verstehst?“
„Was passt denn zu euch? Meine Hose wird jedenfalls nicht am Boden liegen, wenn mir unten einer auf den Saum latscht. Abgesehen davon lasse ich mir nicht von jemandem wegen meiner Klamotten ans Bein pissen, der einen ausgeleierten Ghetto-Kartoffelsack trägt.“
Isabell prustete, doch das infernalische Trio sah nicht begeistert aus.
Der aalglatte Kerl, der offenbar so etwas wie ihr Wortführer war, machte einen Schritt auf Sascha zu und knurrte: “Du reißt ja ganz schön die Fresse auf.“ Er lachte hart und beäugte angewidert die Hosen des Schwarzhaarigen. „Was soll das darstellen? Bist du schwul oder ein Emo?“
Auch Sascha sah an sich herunter. Er trug zur Feier des Tages seine Lieblingshose. Sie bestand aus unauffälligem, schwarzen Stoff und war nicht übermäßig eng geschnitten, aber die gesamte Außenseite seiner Beine war mit silbernen Ringen besetzt. Es sah so aus, als würde die Hose nur durch die Ringe zusammengehalten, was allerdings eine Illusion war. Dazu trug er ein waldgrünes Shirt mit einem schwarzen Tribal auf der Brust. Eigentlich war nichts Besonderes dabei. Es lag nur recht eng an und passte damit nicht zu dem „Sack“-Style der Generation Hip-Hop.
Emo oder schwul. Das ging ja gut los. Er hatte nicht vorgehabt, seine Orientierung auf einem Banner vor sich herzutragen. Aber er hatte sich für Hamburg etwas vorgenommen und es war schlimm genug, dass er sich bei Andreas nicht daran gehalten hatte. Abgesehen davon hatte er nach den Erfahrungen der letzten Tage keine Lust auf Machos, die sich an ihm beweisen wollten.
Er musterte das Trio mit leerer Miene, bevor er betont langsam sagte: „Nein, ich bin kein Emo.“ Vielsagend verzog er den Mund zu einem kalten Lächeln. Sollten sie daraus machen, was immer sie wollten.
Der erste Schultag lief ja hervorragend an.
* * *
Müde rieb Andreas sich über die Augen. Er fühlte sich grauenhaft. Nicht nur, dass seine Gedanken immer noch wie ein Satellit um den Planeten Sascha kreisten, er hatte auch einen Fehler gemacht.
Nachdem im Unterricht nichts mit ihm anzufangen gewesen war, hatte er sich zwischendurch entschuldigt und
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