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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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heimlich zwei Koffeintabletten geschluckt. Jetzt war er gefangen zwischen körperlicher Müdigkeit und einem wachen Geist, der durch die Pillen auf Höchstleistung arbeitete.
    Mist. Warum musste er es immer gleich übertreiben? Eine Tablette hätte es getan.
    In der Hoffnung, dass ein voller Magen ihn schläfrig machen würde, saß er in der leeren Küche auf der Arbeitsplatte. Lustlos schob er sich das Sandwich in den Mund, das Ivana ihm mit einem Lächeln hingestellt hatte, bevor sie einkaufen ging. Es war liebevoll zubereitet. Frischer Salat quoll über die feste Kruste und der Schinken ertrank in einem Meer aus Remoulade. Auf seiner Zunge wurde es zu Fischmehl.
    Er brauchte Gewissheit. Zwei Tage. Wenn Sascha sich innerhalb dieser Zeit nicht meldete, wusste er, woran er war. Das glaubte er nach den letzten eineinhalb Wochen, in denen sie ständig zusammen gewesen waren, einschätzen zu können.
    Der Rest des Sandwichs landete im Mülleimer. Langsam dehnte Andreas seinen steifen Hals von links nach rechts. Er war müde und der Weg in sein Zimmer schien unglaublich weit. Träge wie ein Faultier setzte er sich in Bewegung und knallte mit der Schulter unkoordiniert gegen den Türrahmen. Gott, er war wirklich zu nichts zu gebrauchen. Er sollte wirklich ...
    Es klingelte. Mit aufgerissenen Augen lauschte Andreas dem Vibrieren der Glocke, für den Bruchteil einer Sekunde zu irritiert, um zu reagieren.
    Sein erster Gedanke lautete: Sascha! Der Zweite: Reiß dich zusammen. Das ist bestimmt nur der Paketdienst. Er wollte nicht hoffen, wagte nicht zu hoffen und wusste doch, dass er enttäuscht sein würde, wenn ihm ein gut gelaunter DHL-Mann eine Sendung in die Hand drückte.

Wie wäre es mit aufmachen , wisperte es spöttisch im hintersten Winkel seines Verstands. Mit einem Mal schien es sehr leicht, sich schnell zu bewegen.
    Er hetzte zur Tür und riss sie auf. Alles in ihm schrie vor Begeisterung, als seine wildesten Hoffnungen bestätigt wurden. Er wollte jubeln, Sascha packen und an sich ziehen, ihm danken und ihm zu verstehen geben, wie glücklich er war.
    „Mann, lass mich bloß rein“, grummelte Sascha und zischte an Andreas vorbei.
    Ohne sich nach ihm umzusehen, trabte Sascha nach oben. Der Hausherr folgte ihm etwas langsamer und versuchte, sein rasendes Herz zu beruhigen. Es hieß noch nichts, oder? Er durfte nicht die Bodenhaftung verlieren.
    Als er oben ankam, lag Sascha bereits kopfüber auf dem Bett, das Gesicht in den frisch bezogenen Kissen vergraben.
    „Äh, hey“, sagte Andreas leise. Adrenalin tobte durch sein Blut und weckte ihn besser als die Koffeintabletten. „Na, wie war es in der Schule?“
    Sascha hob kurz den Kopf und murrte: „Lass mich nachdenken. Als Erstes habe ich mich in diesem Irrgarten verlaufen. Dann habe ich es mir mit der Lehrerin von meinem Deutsch-LK versaut. Was noch? Ach richtig, hinterher habe ich mich mit den Jahrgangsidioten angelegt.“
    „Wieso das denn?“, wollte Andreas wissen. Aufgeregt fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare, die sich daraufhin aus dem Zopf lösten.
    „Erzähle ich dir morgen“, stöhnte Sascha dumpf aus dem Kissen. „Ich will nicht mehr daran denken. So ein Saftladen. Wie war es bei dir?“
    „Erzähle ich dir auch morgen“, entgegnete er. Natürlich hätte er berichten können, dass er sich nicht konzentrieren konnte, weil er die ganze Nacht kein Auge zugetan hatte. Aber wer wollte das wissen?
    „Erzähle ich dir morgen“, hatte Sascha gesagt. Morgen. Es änderte sich nichts zwischen ihnen. Andreas schämte sich, dass er dem Freund nicht mehr vertraut hatte. „Film?“
    „Klar, such dir etwas aus.“
    Andreas war damit einverstanden, dass Sascha einen Streifen wählte, den er selbst schon oft gesehen hatte. Es war ihm herzlich egal.
    Als er es sich auf seinem mittlerweile angestammten Platz neben dem Freund auf dem Bett bequem machte, spürte er, wie er sich langsam beruhigte. Vielleicht hatte seine innere Unruhe doch weniger mit den Koffeintabletten als vielmehr mit seiner großen Sorge zu tun gehabt.
    Alles war gut. Sascha war hier und wollte wiederkommen. Wie, wann und wo war nicht so wichtig. Es war nicht einmal wichtig, wie oft sie sich sahen. Hauptsache, sie sahen sich überhaupt.
    Die erste Viertelstunde war noch nicht vorbei, als Andreas spürte, dass ihm die Augen zufielen. Er wollte nicht einschlafen, viel lieber die stumme Vertrautheit genießen, aber er hatte keine Wahl. Sein Körper nahm sich, was er brauchte. Und es

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